Verrückten 80er - Das Lieblingsjahrzehnt der Deutschen, Die (2016)
Eine Kritik von buxtebrawler (Bewertung des Films: 7 / 10) eingetragen am 23.05.2022, seitdem 89 Mal gelesen
Im Jahre 2016, also zwei Jahre, bevor der WDR eine Sendereihe mit Themenschwerpunkt auf den 1980ern begann (die laut WDR von 1980 bis 1989 reichten, 1990 als eigentliches zehntes Jahr der Dekade also ausgespart wurde), die u.a. die zehnteilige Dokureihe „Unser Land in den 80ern“ und Marion Förschings abendfüllenden Dokumentarfilm „Generation Walkman – Unsere Jugend in den 80ern“ hervorbrachte, war es an Heiko Schäfer, innerhalb eines ganz ähnlichen Formats das Jahrzehnt Revue passieren zu lassen: Sein rund 90-minütiger Dokumentarfilm „Die verrückten 80er – Das Lieblingsjahrzehnt der Deutschen“ verfolgt ein ähnliches Konzept und ist ebenfalls eine WDR-Produktion, die der in der (meist westlichen) Retrospektive zum Kult gewordenen Dekade huldigt. Es handelt sich um die Fortsetzung von „Die verrückten 70er – Das wilde Jahrzehnt der Deutschen“. Im Jahre 2021 reichte der WDR „Die verrückten 60er – Das spektakulärste Jahrzehnt der Deutschen“ nach.
In chronologischer Reihenfolge und mit zeitgenössischen Musikstücken unterlegt wird Globales mit Lokalem, Politik mit Popkulturellem, Technologisches mit Gesundheitlichem kurz und knackig, aber eben auch entsprechend oberflächlich miteinander vermischt und abgehandelt. Die Perspektive ist, wie der Titel schon suggeriert, eine deutsche, allein schon deshalb, weil fast ausschließlich deutsche Prominente zu Wort kommen, die auf anhand zahlreicher Archivaufnahmen präsentierter Ereignisse und Phänomene reagieren. Begleitet werden sie dabei von Susanne Hampl, die alte Originalaufnahmen süffisant aus dem Off kommentiert.
Vor der Kamera versammelt haben sich die Schauspieler(innen) Annette Frier, Ann-Kathrin Kramer, Hannes Jaenicke und Susanne Pätzold, Kabarettist Frank Goosen, die Kölschrock-Musiker Peter und Stephan Brings sowie der Politiker und ‘80er-Bundesminister Norbert Blüm. Einen US-amerikanischen Blickwinkel ergänzt der Komiker John Doyle.
Folgende Themen werden angerissen:
Russischer Einmarsch in Afghanistan (ultrakurz)
Gründung der Partei „Die Grünen“
Zauberwürfel
Ronald Reagan (ultrakurz)
John Lennons Ermordung
Walkmen
LCD-Telespiele und Senso
Attentate auf Reagan, den Papst und Anwar al-Sadat
„Tatort“-Kommissar Schimanski (Götz George)
Lady Dis und Charles‘ Heirat
Friedensbewegung
Fernsehserie „Das Traumschiff“
Der DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“
Mode
Falkland-Krieg
Sängerin Nicoles Grand-Prix-Sieg
Deutscher Regierungswechsel
Aerobic
Atari-Konsolen
C64 (ultrakurz)
Kindersendung „Spaß am Dienstag“
Audio-CD
BMX-Fahrräder
Bundestagswahl 1983, Grüne im Bundestag
Volkszählung
Rheinhochwasser
Vermeintliche Hitler-Tagebücher
Aids
Punks versus Popper und Subkulturen allgemein
Frisuren
Waldsterben
NDW (ultrakurz)
BAP in DDR (ultrakurz)
Gurtpflicht in Kfz
Ghettoblaster und Breakdancing
Trivial Pursuit
„Masters of the Universe”-Actionfiurenreihe
Massentourismus
Smogalarm
Turnschuhe im Alltag
Markenwahn
Sowjet-Politiker Gorbatschow (ultrakurz)
Tennisspieler Boris Becker
Fernsehserie „Schwarzwaldklinik“
Fernsehserie „Lindenstraße“
Mikrowelle
Skateboards
Explosion der Challenger
Kölsch-Konvention
Gorbatschow in DDR
Tschernobyl
Falsche Neujahrsansprache Helmut Kohls
Türkeiöffnung Richtung Westen
Rusts Flug auf roten Platz
Tennisspielerin Steffi Graf
Würmer in Speisefischen (!)
Uwe Barschel
Birkenstock-Latschen
Kinofilm „Dirty Dancing“
Abrüstung
Kälbermast-Hormonverseuchung
Ben Johnsons Doping bei den olympischen Spielen 1988 (ultrakurz)
Gladbecker Banküberfall und Geiselnahme
Ramstein-Flugschaukatastrophe
Brillen
CD-Rekorder
Videorekorder
Computerviren
gewaltsame Protestniederschlagung in China
Kommunalwahlen in der DDR und die Folgen
Lambada-Tanz
Es handelt sich also um einen unheimlich viel abdeckenden Rundumschlag, der für manch Thema nicht mehr als einzelnen Satz übrighat. Die chronologische Sortierung aber ist gut gelungen und bei der Auswahl der Prominenten gab man tendenziell angenehmen Zeitgenossinnen und -genossen den Vorrang gegenüber fragwürdigen C- bis Z-Sternchen – wenngleich manch Bekanntheitsgrad der Beteiligten außerhalb des WDR-Einzugsgebiets rapide abfallen dürfte. Dass auch vor unangenehmen Erscheinungen der 1980er nicht Halt gemacht wird, ist in einer solchen auf Unterhaltung und Kurzweil ausgerichteten Doku nicht selbstverständlich und bewahrt vor Verklärung. Die Balance zwischen unerfreulichen Ereignissen/Entwicklungen und Zeiterscheinungen, in die man sich gern sentimental zurücknostalgiert oder die für Amüsement sorgen, wird passabel bewahrt, ohne den Eindruck zu vermitteln, das eine mit dem anderen aufwiegen zu wollen. Die Gewichtung der Themengebiete wird jeder unterschiedlich empfinden, meines Erachtens vielleicht etwas überrepräsentiert sind reine Medienereignisse wie Fernsehserien, viel zu kurz hingegen kommt der Fußball (der schlicht nicht stattfindet – Schäfer scheint eher Tennisfan zu sein). Für das, was es sein will, ist „Die verrückten 80er“ eine sehenswerte Retrospektive, die einen groben, aber breitgefächerten, boulevardesk bunten Überblick vermittelt, der dazu einlädt, als interessant empfundene Teilbereiche mithilfe anderer Produktionen oder Medien zu vertiefen.
Unser News-Bereich wurde überarbeitet und wird in Kürze weiter ausgebaut werden, damit Sie stets aktuell über alle Neuigkeiten rund um die Welt des Films informiert sind.