Eine Kritik von Leimbacher-Mario (Bewertung des Films: 9 / 10) eingetragen am 16.07.2020, seitdem 500 Mal gelesen
Wenn Refn auf Fassbinder trifft
Nach 40 Jahren bzw. fast 100 nach Döblins Jahrhundertbuch,Â
kommt wieder einmal „Berlin Alexanderplatz“ über die deutsche (Kino-)Landschaft wie zugleich Segen und Fluch.Â
Angekommen in der Neuzeit mit Flüchtlingsblickwinkel und Neonclubs,Â
gibt dieses lose Remake seinen Vorfahren dennoch immer wieder einen respektvollen Stubs.Â
Wir folgen dem schwarzen Francis in seinen deutschen (Alp-)Traum,Â
kein Teufel, kein Engel, verliert er dennoch schnell seinen Flaum.
 „Gut“ will er sein, trifft dennoch immer wieder die schlimmsten Entscheidungen und geht dunkle Wege,Â
doch trotz (oder gerade wegen) all seiner Fehler wird er nie zur Nervensäge.
Ein Biest von einem Score, visuell zudem eine Wucht,Â
ich wollte nichtmal auf Toilette, es fühlte sich an wie eine Sucht.Â
Wer das qualitativ will ins deutsche Fernsehen hängen,Â
hat meiner Meinung nach nicht wirklich etwas zu suchen auf den Filmkritikergängen.Â
Das ist internationale Klasse, „Babylon Berlin“ lässt grüßen,Â
trotz seiner heftigen (Band-)Breite konnte er mir jede seiner über 180 Minuten versüßen.Â
Der neue „Berlin Alexanderplatz“ strahlt nicht, er glüht,Â
wirkt selbst in seinen lyrischen Verbindungen zur Quelle nie allzu bemüht.Â
Zudem ist er am Zahn der Zeit und mutig ohne Ende,Â
führt thematisch und metaphorisch in abgründiges und erstaunlich ambivalentes Gelände.Â
Und das Highlight, die Erdbeeren oben drauf sind dann auch noch Darsteller vom Feinsten,Â
was Schuch, Bungue und Haase hier leisten, konnte ich manchmal glauben zum Keinsten.Â
„Berlin Alexanderplatz“ ist ein Kinoepos für das Lichtspielhäuser wurden geschaffen,Â
ich hoffe die Leute können das selbst in solchen Krisenzeiten noch raffen.Â
Doch auch Fassbinders Version hatte es damals ja schwer,Â
nun gehe ich jedoch erst noch eine Runde durch Wuppertals Straßen, aufgepumpt und gleichzeitig leer.Â
Dieser Großstadtkrimi mit all seinen Themen und Facetten,Â
hat mich ausgelaugt, zerstört, wieder aufgebaut und gesprengt aus Coronaketten.Â
Wie in den letzten Jahren „Systemsprenger“, „Victoria“ oder „Toni Erdmann“,Â
schlägt das deutsche Kino auch 2020 erneut mit einer bleibenden Machtdemonstration in seinen eiskalten Bann.Â
Fazit: egal ob drei oder fünfzehn Stunden, egal ob 1980 oder 2020 - „Berlin Alexanderplatz“ bleibt episch und meisterhaft, riesig und tief, poetisch und menschlich, labyrinthiv und hart, strasse und literarisch, massiv und unwiderstehlich. Diese Neuinterpretation ist schlicht ganz großes, polarisierendes und akutes deutsches Kino. Wie im Rausch, wie im Traum, wie im Abgrund. Stark wäre untertrieben. Eine Großtat.Â
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