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Parasite (2019)

Eine Kritik von The_Captain (Bewertung des Films: 6 / 10)
eingetragen am 24.01.2021, seitdem 264 Mal gelesen



Wie üblich lasse ich einige Zeit verstreichen, um mich einem der gehyptesten Filme der letzten Jahre zu widmen und diesen relativ vorurteilsfrei abseits von seiner großen Medienpräsenz zu bewerten. War der Hype gerechtfertigt?
Bei der Oscarverleihung 2020 zunächst der koreanische Underdog und Rivale von "Joker", am Ende jedoch mit doppelt so vielen Auszeichnungen wie der überragende Beitrag Todd Phillips - was bleibt davon nach dem Medienrummel noch übrig? Was liefert Bong Joon-ho abseits der plakativen Kapitalismuskritik?

Sicher: "Parasite" ist ohne Zweifel ein guter Film, handwerklich stark inszeniert, mit einer deutlichen Botschaft, überzeichnet, kontrastreich und gesegnet durch eine spannende Story, die viele verschiedene filmische Genres miteinander kombiniert. Aber "Parasite" ist eben auch ein Film, der im Rausch nach Moralität und sozialem Bewusstsein wie kein Zweiter in den modernen Zeitgeist der westlichen Welt & Hollywood passte, eine ausländische Produktion, die soziale Ungerechtigkeit anprangert und Gefahr lief maßlos überschätzt zu werden - ein Film, der gesellschaftliche Missstände anspricht, aber leider auch ähnlich wie viele zeitgenössische soziale Bewegungen nur wenige bis viel zu einfache Antworten auf sehr komplexe gesellschaftliche Phänomene liefern kann und der in seinem Zynismus und dem Spaß an Karikaturen gerne den wertfreien Blick für den vermeintlichen Feind "von oben" verliert, aber dazu später.

Obwohl die Geschichte durchaus komplexer ist, lässt sie sich im Kern kurz zusammenfassen: Eine Familie der südkoreanischen Unterschicht kapert sukzessive das Haus einer reichen Familie, indem sie sich nach und nach unter falschen Identitäten Posten innerhalb des Familienlebens als Nachhilfelehrer, Chauffeur oder Haushälterin sichern kann. Diese Klassenunterschiede werden bis ins Groteske überzeichnet und die Situation läuft nach und nach völlig aus dem Ruder.
Genau hier liegen sowohl viele Stärken und Schwächen des Films nah beieinander. Während sich Regisseur Bong Joon-ho vergnüglich an Stereotypen abarbeitet und vor allem die Oberschicht nach allen Regeln der Kunst überzeichnet, arbeitet er sich nur sehr gemächlich an den skrupellosen Kims aus der Unterschicht ab. Deren Handeln ist zwar menschenverachtend und kriminell, aber irgendwie doch notwendiges Übel, um in einer kapitalistischen Gesellschaft aufzusteigen. Man könnte sagen, okay, Moralität erwartet der Regisseur von keiner seiner Figuren, seltsamerweise führt er das nicht konsequent zu Ende, fast jeder Unterschichtencharakter avanciert irgendwo doch zum sympathischen Opfer der Klassengesellschaft, während die Reichen nun Mal reich sind, einfach so und sich am Reichtum laben. Ist das Weltbild der Macher wirklich so eindimensional?
Diese plakative Zurschaustellung der Unterschiede zwischen Arm und Reich führt aber auch zu herrlich surrealen Szenen, kann durch Charme und Ideenreichtum unterhalten und fesselt den Zuschauer durch geschickte dramaturgische Kniffe und ausnahmslos gute Darsteller über die gesamte Dauer des Films. Bong Joon-ho hat ein feines Gespür für den Habitus der jeweiligen Schicht und überzeichnet sie mit viel Feingefühl aber auch der nötigen Schärfe. Visuell werden diese Unterschiede, ähnlich wie in "Metropolis" auch durch die geographischen Unterschiede der Ober- und Unterstadt deutlich. Insgesamt arbeitet "Parasite" oft mit Kontrasten, in den Filtern im Bild und der Farbgebung der Settings, aber auch beim Soundtrack und der Besetzung der Figuren. Die reichen Parks, obwohl der relativ gleichaltrigen ältesten Kinder zufolge ähnlich alt wie die armen Kims, werden von jungen, agilen, frischen Darstellern verkörpert, während man den Kims auch in Mimik und Kleidung deutlich anmerkt, dass das Leben es nicht ganz so gut mit ihnen meinte.

Doch so gut die Darsteller selbst auch gecastet sein mögen, so inkonsistent ist die Entwicklung ihrer Figuren zwischen Moralität und Amoralität, was auch dazu führte, dass mich der Film im letzten Drittel verlor. Der anfangs so herrlich überzeichnete Plot mit seinem Zynismus, seiner subtilen Gesellschaftskritik und der grundlegenden Beklemmung weicht irgendwann einem doch immer deutlich werdenden politischen Auftrag, der den Film letztlich seiner Agenda unterordnet und in einer Art revolutionären Akt endet, einer albernen Gewaltorgie, die deplaziert wirkt, aber nicht wegen der Gewalt selbst, sondern ihrer Inkonsequenz, in der auch noch der moralischste, der die meiste Sympathie für den reichen Gegner aufbringen konnte, zur Waffe greift, aus Rache, aber eben wieder aus Notwendigkeit. Dazu beantwortet der Film nie die Diskrepanz seiner Familien: Wie können Reiche reich und erfolgreich sein, obwohl sie eigentlich nur naive Idioten sind, während die arme Familie aus bissig-intriganten Charmemonstern besteht, die aber nichtmal an der staatlichen Universität aufgenommen werden können?
All diese Klassenunterschiede führen unweigerlich zu notwendiger Gewalt, zu Hass, zur Revolte gegen "die da oben". Da helfen "Parasite" auch keine offensichtlich gestreuten Nordkoreapersiflagen, der sozialistische Klassenkampf-Grundtenor lässt sich einfach nicht leugnen - nicht umsonst war Regisseur Bong Joon-ho Mitglied einer sozialistischen koreanischen Partei, die Koreas kapitalistischen Süden an die planwirtschaftlich-sozialistische Diktatur im Norden annähern wollte. Wäre dies nicht schon traurig genug, sollte man umso kritischer werden, wenn man sieht, welche Jubelstürme im Hollywood-Mainstream ausbrachen, der "Parasite" in die Riege der besten Filme aller Zeiten katapultieren wollte. Gleichzeitig offenbart "Parasite" dabei ganz unfreiwillig auch noch die Doppelmoral des Hollywood-Establishments, das einem wertfreien Film wie "Joker" rechtspopulistische Tendenzen unterstellt, in seinem Ruf nach Diversität und Multikulturalität aber einen Film mit sozialistischem Grundtenor hofiert, in dem bis auf einen einzigen Statisten, der kurz durch das Bild läuft, ausschließlich koreanische Darsteller mitspielen.

Abseits dieser politischen Dimension wird am Ende aber auch eine Emotionalität geweckt, die in einem zunächst so zynischen und bösen Film keinen Platz haben sollte und auch als Zubrot an den Mainstream verstanden werden kann. Während Regisseure wie z.B. Gaspar Noe in Menschenfeind ähnliche Probleme ansprechen, führen sie ihren Zynismus konsequent zu Ende und lassen der Ausweglosigkeit ihren Pessimismus, "Parasite" versucht sich daran, verliert sich jedoch in Inkonsequenz und Gefühlsduseleien, die Figuren wirken danach nicht mehr stringent und glaubwürdig, sie werden eher Mittel zum Zweck.

Nichtsdestotrotz versteht Bong Joon-ho trotz einiger Schwächen sein Handwerk und erschafft eine spannende, unterhaltsame und vor allem kontrastreiche Parabel, die sich mit all ihrer Gesellschaftskritik irgendwo zwischen Satire, Groteske, Drama, Thriller und Komödie einsortieren lässt. Leider nicht konsequent genug verliert sich diese im letzten Drittel in ihrer politischen Botschaft und ordnet alle Stärken ebendieser und einer zu erzwungenen Emotionalität unter. Der Weg nach oben ist für die armen Kims unmöglich, egal wie sehr sie sich bemühen, egal welche Wege sie gehen, ob kriminell und clever, oder gewalttätig, am Ende bleibt der Arme arm, egal ob er moralisch handelt oder nicht. Eher bekämpft sich die Unterschicht gegenseitig als sich solidarisch zu zeigen, alle Vorzüge des Kapitalismus, jeder Wohlstand, der die westlichen, aber auch den koreanischen Kapitalismus von anderen Gesellschaftsmodellen unterscheidet, werden dabei natürlich konsequent ausgeblendet. Narrative, die an Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" erinnern, welche die soziale Frage des 21. Jahrhunderts aber nur unzureichend und viel zu einfach beantworten können.

Ein Film für das Mainstream Publikum, das diese Art von Satire und Gesellschaftskritik nicht kennt, ein Film, der einschlug wie eine Bombe, weil er sowohl dramaturgisch gut gemacht ist, toll besetzt wurde und über die volle Zeit unterhalten kann, der aber mit seinen Narrativen von sozialer Ungerechtigkeit und seinen plakativen oder fehlenden Antworten darauf in die heutige Zeit der neuen sozialen Bewegungen passt, die ähnlich plakativ und ähnlich perspektivlos mit Antworten um sich schmeißen.

Ein Film, in dem der linke Mainstream auch mal seine Wut und seinen Zynismus gegen "die da oben" ausleben kann, ohne Angst haben zu müssen, als Rechtspopulist oder ähnliches zu gelten. Ein Film, der gesellschaftliche Missstände anprangert und karikiert, der zynisch sein kann, aber leider nicht konsequent. Ein Film, der trotz guter Unterhaltung daran gemessen werden wird, was er abseits eines Zeitgeistes an Mehrwert hinterlassen kann, den andere Filme noch nicht geliefert haben.

6/10


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