Eine Kritik von vodkamartini (Bewertung des Films: 6 / 10) eingetragen am 06.05.2007, seitdem 2084 Mal gelesen
“Zwitterwesen”
Antoine Fuqua möchte nicht einfach nur unterhalten, er will dabei auch unbequeme Themen anfassen, aufrütteln und informieren. Ähnlich wie sein Regiekollege Edward Zwick (Mut zur Wahrheit 1996, Ausnahmezustand 1998, Blood Diamond 2006) versteht er es geschickt, politisch oder gesellschaftlich brisante Stoffe im Gewand krachiger Actionfilme bzw. spannungsgeladener Thriller zu präsentieren. Während er in Training Day (2001) die dunkle Seite der Polizei beleuchtete - Denzel Washington erhielt den Oscar als extrem gewalttätiger und korrupter Undercover Cop - , so widmete er sich in Tränen der Sonne den Gräueltaten auf dem afrikanischen Kontinent. Ein Thema, welches Fuqua offensichtlich sehr am Herzen liegt, ist es doch auch ein zentrales Element im Subplot seines neuesten Actionthrillers Shooter (2007).
Tränen der Sonne erzählt die Geschichte einer Navy SEALs (SEa Air Land) Einheit, die im vom Bürgerkrieg zerrütteten Nigeria eine Gruppe weißer Ärzte und Priester ausfliegen soll. Der Auftrag erweist sich als schwieriger als gedacht, da die der Mission vorstehende Ärztin Lena Kendricks (Monica Belluci) nicht ohne ihre hilfsbedürftigen Patienten aufbrechen will. Der anfänglich wenig kompromissbereite Lt. Waters (Bruce Willis) wirft unter dem Eindruck von Lenas Starsinn und zahlreicher vor Ort erlebter Grausamkeiten Befehl und Prinzipien über den Haufen und versucht die Gruppe bis ins benachbarte (sichere) Kamerun zu bringen.
Das klingt nach dem typischen amerikanischen Heldenkino nach dem Motto „Unsere guten Jungs kämpfen auf der ganzen Welt für Frieden und Gerechtigkeit“. Und genauso ist es dann leider auch. Fuquas Anspruch in allen Ehren, aber was er uns mit Tränen der Sonne an US-amerikanischen Heldenklischees und Militärbeweihräucherung teilweise mit dem Holzhammer serviert, stößt einem dann doch extrem bitter auf und hinterlässt einen ganz schalen Beigeschmack.
Zunächst einmal erscheint es extrem unglaubwürdig, dass ein lang gedienter SEALs Kommandant aus reiner Menschlichkeit sämtliche Befehle missachtet und obendrein das Leben der ihm anvertrauten Männer riskiert, um eine Gruppe afrikanischer Verwundeter zu retten. Bereits sein Trick, die störrische Ärztin zum Mitgehen zu bewegen indem er vortäuscht, die nicht bettlägerigen Verwundeten mitzunehmen, entbehrt jeder Logik. In der Realität würde kaum ein Befehlshaber ernsthaft eine solche Verzögerung in Erwägung ziehen, zumal Willis Charakter die Gruppe gar nicht ausfliegen lassen will. Darüber hinaus erscheint der ganze erste Marsch zum Hubschrauberplatz völlig sinnlos, überfliegen die US-Hubschrauber doch auf ihrem Rückflug die betreffende Mission. Da fragt man sich dann schon, warum die US-Truppen nicht gleich dort landen konnten. Und weshalb erscheinen die SEALs bei ihrem ersten Auftauchen mit voller Gesichtstarnfarbe, verzichten allerdings im gesamten weiteren Verlauf des Films darauf, obwohl sie sich permanent vor ihren Verfolgern verstecken müssen und Tarnung dabei die halbe Miete ist? Aber es kommt noch dicker.
Nachdem Lt. Waters beim Anblick der verwüsteten Mission umkehren lässt und gegen ausdrücklichen Befehl versucht, die zuvor zurückgelassenen Gruppe nach Kamerun zu führen, sind seine Männer ohne Murren bereit, bei seinem im Alleingang beschlossenen Himmelfahrtskommando mitzumachen. Dass das Oberkommando den Soldaten letztlich auch noch massive Luftunterstützung schickt, ist dann auch schon egal. Die Glaubwürdigkeit der ganzen Geschichte ist eh längst im Dschungel verschollen.
Das wäre alles nicht so schlimm, wenn es sich nicht um ein politisch brisantes Thema, sondern lediglich um Popcornkino handeln würde. Die Verlogenheit der im Film transportierten Botschaft trieft aus allen Poren und ist v.a. ob ihrer Dreistigkeit fürchterlich ärgerlich. Eine Gruppe guter, aufrechter Amerikaner macht den unmenschlichen Grausamkeiten in Afrika ein Ende und befreit hilflose Frauen, Kinder, Verwundete und (natürlich) verfolgte Demokraten aus ihrer hoffnungslosen Lage. Die reale Politik der USA gegenüber dem afrikanischen Kontinent dahingegen ist in erster Linie von wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen geprägt und definiert sich darüber hinaus vornehmlich durch Wegschauen.
Natürlich darf der in US-amerikanischen Kriegsfilmen obligatorisch abgefeierte Heldenmut und die überlegene Kampfkraft des eigenen Militärs nicht fehlen. Leider fällt einem das schon gar nicht mehr explizit auf. In diesem Zusammenhang ist allerdings doch eine Szene erwähnenswert. Nachdem Lt. Waters erfährt, dass der zweite Landeplatz nicht angeflogen werden kann und die Gruppe sich allein bis zur Grenze durchschlagen muss, versammelt er seine Jungs zum Krisengespräch. Selbstredend weigern sich alle, die Nigerianer im Stich zu lassen. Untermalt von heroischer Musik steht der Trupp wie ein Mann hinter Waters. Getreu dem Motto der SEALs „The only easy day was yesterday“ kann es endlich losgehen. Lediglich als ein SEAL die vom Zuschauer seit Stunden erwarteten Worte spricht: „Das ist nicht unser verdammter Krieg“, kommt ein Moment der Spannung auf. Der Anschlusssatz „Du weißt, dass ich auf deiner Seite bin“ lässt diese allerdings wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die Krönung des ganzen ist schließlich dem Afroamerikaner im Team vorbehalten, der seinem Lieutenant auf die Schulter klopft und sagt: „Du tust genau das Richtige. Das ist auch mein Volk. All die Jahre hat man uns gesagt, wir sollen uns raushalten.“ Das muss man nicht mehr kommentieren.
Die Darstellerleistungen sind durchweg in Ordnung, allerdings lässt das Drehbuch den einzelnen Figuren viel zu wenig Möglichkeiten zur Entfaltung. So bleiben sämtliche Charaktere eindimensional und blass. Willis und Belluccci machen das beste aus ihren stereotypen Rollen, allerdings stimmt die Chemie zwischen den beiden nicht. Dass sich Lt. Waters auch wegen seiner wachsenden Zuneigung zu der streitbaren Ärztin für Befehlsverweigerung und die Rettungsmission entscheidet, wird an keiner Stelle nachvollziehbar und bleibt damit unglaubwürdig.
Was hat der Film außer kratergleichen Logiklöchern, einer zutiefst verlogenen Moral und klischeehaften Charakteren noch zu bieten? Man mag es kaum glauben: Action, Spannung und Atmosphäre.
Trotz seiner ordentlichen Lauflänge von 137 Minuten - der längere Director´s Cut ist der holzschnittartigeren Kinofassung auf jeden Fall vorzuziehen - ist der Film beinahe durchgängig spannend. Fuqua ist kein Amateur. Auch die Kameraarbeit ist exzellent und lässt v.a. den Dschungel bedrohlich, undurchdringlich aber auch sehr schön erscheinen. Der ehemalige Videoclip-Regisseur weiß genau, wie man Shootouts und Explosionen gewinnbringend in Szene setzt. Das mag teilweise unrealistisch und überzogen sein, sieht aber einfach verdammt gut aus. Wer von einem Hollywood Actionfilm Realismus bei Kampfszenen erwartet, sollte dieses Genre ohnehin lieber gleich ganz meiden. Sowohl die Erstürmung des geschändeten Dorfes wie auch das finale Feuergefecht gegen die Rebellentruppen zählen zu den absoluten Höhepunkten des Films und müssen sich keinesfalls hinter vergleichbaren Produktionen verstecken. Kann man dem Schlusskampf noch vorwerfen, dass er nicht so recht zum Rest der Films passen will - der vornehmlich von Spannung und Atmosphäre lebt -, so ist die Dorfsequenz in jeder Hinsicht perfekt gemacht und v.a. platziert.
Der von den SEALs zunächst aus der Ferne beobachtete Genozid verschlägt auch den Zuschauern den Atem. Wie die Filmfiguren überlegt man, ob man hier nicht eingreifen müsste. Das ganze Grauen der Zivilbevölkerungen in den zahllosen afrikanischen Bürgerkriegen und Stammesfehden wird hier exemplarisch deutlich. Die düsteren, regnerischen Bilder der unwirtlichen Natur sowie das halbzerstörte, im Schlamm versinkende Dorf schaffen eine beinahe apokalyptische Atmosphäre. Im Dorf angekommen sehen Soldaten wie Zuschauer extreme Grausamkeiten die bei beiden durchaus nachwirken. Hier wird Fuquas Anliegen deutlich, den Zuschauer aufzurütteln und für die Zustände in Afrika zu sensibilisieren. So gehören die oben beschriebenen Szenen auch mit Abstand zu den eindringlichsten und stärksten des gesamten Films.
Das perfekt gefilmte Ausschalten der Mörder durch Scharfschützen und kleine Sturmeinheiten erfolgt ohne heroische Musik und heldenhafte Posen. Schnell, präzise und kompromisslos erledigen die Elitesoldaten ihren Job. Nach „getaner Arbeit“ wirken die Soldaten müde, ausgezehrt und verstört ob der gesehenen Massaker. Keine Euphorie oder flapsigen Sprüche weit und breit.
Auch dramaturgisch ist die Sequenz ideal platziert. Die Motivation der Soldaten für die spätere Rettungsaktion wird vorbereitend erklärt und erscheint damit zumindest etwas glaubwürdiger. Des weiteren entlädt sich hier die bereits über eine Stunde aufgebaute Spannung in einem - wenn auch nicht unterhaltsamen - Actionhighlight.
Fazit: Tränen der Sonne ist ein Zwitterwesen. Neben einer zutiefst verlogenen Botschaft, die jedem politisch interessierten und vor allem informierten Zuschauer extrem sauer aufstoßen wird, bekommt man einen durchweg spannenden Actionthriller mit düster-atmosphärischen Bildern geboten. Dem (falschen) Bild vom aufrechten, menschenfreundlichen und allen Unterdrückten der Welt zu Hilfe eilenden US-Militär steht das im Film durchaus deutlich werdende Anliegen gegenüber, auf die in Afrika seit Jahrzehnten begangenen Grausamkeiten aufmerksam zu machen. Kratergroße Logiklöcher sind ebenso Bestandteil des Films wie hervorragend in Szene gesetzte Actionszenen und tolle Landschaftsaufnahmen. Die Hauptrollen sind mit Monica Bellucci als streitbarer Ärztin und mit Bruce Willis als wortkargem SEALs Kommandanten adäquat besetzt, allerdings stimmt die Chemie zwischen den beiden nicht. Kurz: Wer über die zugegebenermaßen äußerst ärgerliche Propaganda für das US-Militär hinwegsehen kann, wird über zwei Stunden recht gut unterhalten. Deshalb gerade noch (wohlwollende) 5 von 10 Punkten.
Wer die Afrikaproblematik allerdings kritischer und ausgewogener präsentiert haben will, dem seien zwei aktuellere und erheblich bessere Produktionen empfohlen. Zunächst Edward Zwicks spannender Abenteuerfilm Blood Diamond (2006), der ohne US-Pathos und weit eindringlicher die Missstände in Afrika anprangert. Besonders aber die gar nicht Amerika-freundliche, zynische Satire Lord of War (2005) über einen skrupellosen amerikanischen Waffenhändler.
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