Eine Kritik von Vince (Bewertung des Films: 6 / 10) eingetragen am 19.03.2021, seitdem 444 Mal gelesen
Armer Anguirus. Als wäre es noch nicht genug, dass der tollpatschige Vierbeiner stets für die bösen Kaiju als bevorzugter Prügelknabe herhalten muss, steigt ihm jetzt auch noch sein eigener Teamkamerad Godzilla aufs Dach. Ein derart hinterlistiges Verhalten hätten wir ja nun nicht erwartet von unserem Lieblingsreptil. Hat der grüne Koloss uns etwa in den vergangenen zehn Jahren eiskalt an der Rückenflosse herumgeführt?
Was beginnt wie der empörende Cliffhanger einer Seifenoper, endet in einem Terminator-Moment: Unter Godzillas organischen Schuppen blitzt plötzlich außerirdisches Titanium auf. Es darf aufgeatmet werden… das ist ja gar nicht Godzilla, von dem die Dresche bezogen wird, sondern ein Roboter-Nachbau mit Latex-Überzug! Das Original gehört noch zu den Guten. Boah! Jun Fukuda weiß all die Knöpfchen zu drücken, mit denen man die Gefühle der SciFi-Fans in Wallung bringt. Und etabliert nebenbei ein für allemal die Robotik in der Franchise. Denn Mechagodzilla triumphiert, wo Jet Jaguar aus dem Vorgänger „Dämonen aus dem Weltall“ noch scheiterte: Er zieht als blanker Metallhaufen Emotionen auf sich. Wenn eben auch eher jene der aggressiven Sorte… gerade, wenn er seinen digital verzerrten Schrei ausstößt, der dem Hörerlebnis gefährlich nahe kommt, wenn man die Fingernägel einmal quer über die Tafel zieht.
Die deutsche Synchronisation macht sich über solche Feinheiten nicht allzu viele Gedanken. Taufte sie schon Robo-Held Jet Jaguar kurzerhand in „King Kong“ um, wiederholt sie dieses Kunststück mit der echsenförmigen Blechbüchse, die laut Drehbuch aus dem Weltall kommt, um die Erdenbewohner zu vernichten. Das komplette Gegenteil also von Jet Jaguar, welcher auf der Erde gebaut wurde, um die Menschheit zu beschützen. In einer Sache hat die Synchro-Regie aber Recht: Am Ende geht es darum, dass sich kostümierte Japaner in Miniaturlandschaften gegenseitig auf die Glocke geben, und phonetisch gesehen ist „Kong“ einfach zu nah an „Klong“, als dass man noch große Unterschiede in Sachen Herkunft und Gesinnung machen möchte. Hauptsache, es klingelt schön im Gebälk.
Apropos Kong, apropos Affen. Die amerikanische „Planet der Affen“-Pentalogie war gerade erst abgeschlossen, da geht es auf der anderen Seite der Erdkugel gleich in die nächste Quasi-Fortsetzung. Japanische Kaiju Eiga haben zwar eine gewisse Tradition in Bezug auf Riesenaffen (Gaira aus „Frankenstein – Zweikampf der Giganten“, Konga aus dem gleichnamigen Film, selbstverständlich King Kong aus „Die Rückkehr des King Kong“), doch beim Affenmasken-Design der Aliens, noch dazu mit ihren futuristischen Alu-Outfits, geht kein Weg an dem direkten Einfluss durch Dr. Zaius und seine Gefolgschaft vorbei. Dass sie ihre wahre Gestalt erst dann offenbaren, wenn man ihnen eine verpasst, ist die Krönung. Passend zur Aufmachung der Außerirdischen erzeugen die silbern folierten Möbel und Designer-Requisiten ihrer Behausung ein Feng Shui wie direkt aus der Zentrale eines 007-Gegenspielers abgezapft. Raum genug jedenfalls für den feminin geschminkten Anführer der Invasoren, große Sprüche zu klopfen.
Trotz des SciFi-Trash-Gestus, mit dem Mecha-Godzilla seinen Einstand feiert, ist „Godzilla gegen Mechagodzilla“ eigentlich ein spiritueller Film, der sich von den mythologischen Spuren in der Kultur des eigenen Landes stark beeinflusst zeigt. Die Handlung findet statt auf den Okinawa-Inseln, was bedeutet, dass diverse Szenen direkt in der Natur abgedreht wurden. In Tropfsteinhöhlen (die allerdings dann doch Studio-Charakter haben) werden Malereien gedeutet, am Strand wiederum vollführt eine Azumi-Nachfahrin (Beru-Bera Lin) einmal sogar einen traditionellen Gesang im Stil der Shobijin-Zwillinge. Mit liebreizender Stimme aus dem Winterschlaf geweckt werden soll an dieser Stelle jedoch nicht Mothra, sondern King Caesar, der sein Debüt als Wächter alter Kulturen feiert und sich in dieser Rolle natürlich prompt dem Mecha in den Weg schmeißt. Sein Design ist den Shisa-Statuen nachempfunden, die mythologische Mischkreaturen aus Löwe und Hund darstellen und oft am Rand von Gebäuden aufgestellt sind, um sie vor dem Bösen zu beschützen.
In Suitmation übersetzt bedeutet das: Wir haben es mit einem aufrecht stehenden, übel gerupften Hund mit eingedrückter Schnauze zu tun, dessen Schwanz und Ohren durch Wirework-Magie eigenen Gesetzen der Schwerkraft folgen. Unter dem Kostüm steckt mit Kinichi Kusumi der gleiche Mann, der in der ersten Kampfszene des Films auch als Anguirus würdelos im Staub kriecht. Obwohl das Caesar-Kostüm auf den ersten Blick wegen der dicken, schuppigen Beine kaum agiler aussieht als dasjenige Godzillas, liefert der damals 24-jährige Kusumi unter der Gummilast eine Wendigkeit, die man bei der Suitmation-Technik nicht allzu oft zu sehen bekommt. Eigentlich hat King Caesar nicht allzu viele Fähigkeiten, sieht man mal davon ab, dass er die Laserstrahlen seiner Gegner reflektieren kann, doch aufgrund seiner schnellen Bewegungen erweist er sich im Kampf dennoch als versierter Gegner – gerade beim Abrieb an dem steifen Mecha-Godzilla. An dem bewegt sich nämlich kaum mehr als der Unterkiefer beim Schrei. Besonders schön zu sehen ist das im Flugmodus: Wenn er versucht, sich mit Düsenantrieb horizontal von seinem Gegner zu entfernen, könnte man ihn glatt als Bügelbrett verwenden. Das führt zu einem strategisch äußerst interessanten Finalkampf, denn umgekehrt setzt der Titan-Klon seine Steifheit auch effektiv als Waffe ein. So übel hat man Godzilla jedenfalls nie zuvor bluten sehen, nicht einmal Gigan in „Frankensteins Höllenbrut“ konnte dermaßen viel Ketchup aus der Tube quetschen.
Die alberne Anmutung ist der Monster-Kloppe natürlich auch (und gerade) in solch einem esoterischen Rahmen nicht auszutreiben. So scheint auch Komponist Masaru Sato von diesem Nebeneinander aus traditioneller Folklore und gröbstem Unfug inspiriert worden zu sein. Sein Big-Band-Jazz-Soundtrack jedenfalls sitzt zwischen allen Stühlen… und funktioniert gerade deswegen unerwartet gut. So gut, dass selbst Shin Kishida („Lake of Dracula“) als Journalist / Interpol-Agent mit Sonnenbrille und coolem Auftreten nicht mehr weiter aus dem Rahmen fällt, obwohl er als Quasi-Karikatur der gerade im Wandel begriffenen Yakuza-Filme eigentlich nicht unbedingt in einen solchen Film passt.
Es hätte letztlich gerne noch etwas mehr Gerumpel und Zerstörung sein dürfen; abgesehen von der Kiefer-Korrektur für Anguirus am Anfang und dem Dreikampf zwischen Mechagodzilla, King Caesar und Godzilla am Ende bleibt nicht viel Action übrig. Wenig überzeugend fällt auch der Versuch aus, mal wieder das böse Weltall für die Gräuel in der Welt verantwortlich zu machen – eine eher schwache Metapher für die Bedrohung durch das Unbekannte jenseits der Landesgrenzen. Dafür allerdings werden mit Mechagodzilla neue Standards der Reihe etabliert. Auch King Caesar erweist sich als wertvoller Neuzugang. Und Jun Fukuda beweist in seiner fünften Godzilla-Regiearbeit, dass er es versteht, sich voll und ganz auf seine kleine Geschichte zu konzentrieren und liebevoll mit Details auszustatten; ganz egal, wie hirnrissig sie von außen erscheint.
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