Eine Kritik von Adalmar (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 07.08.2022, seitdem 475 Mal gelesen
Zugegeben: In der einen oder anderen Variation hat man vieles, was bei "Hatching" zu sehen ist, als Horrorfan schon zuvor erblickt. Das seltsame Wesen, von dem man sich als Zuschauer zeitweise nicht sicher sein kann, ob dieses nur in der Einbildung der Hauptfigur existiert. Oder der böse Zwilling, ein bisschen in Richtung Jekyll und Hyde gehend, der basierend auf den KrĂ€nkungen und der Frustrationen des Ichs ohne zivilisiert-moralische ZurĂŒckhaltung agiert und gegen die feindselig auftretende Umgebung der Hauptfigur gewalttĂ€tig vorgeht.
Aber umgesetzt sind diese Motive in "Hatching" ganz hervorragend, mit sicherem Ă€sthetischem GespĂŒr, trotz einiger fĂŒr die meisten Zuschauer wahrscheinlich mit Ekel verbundenen Bilder, und einer exzellenten schauspielerischen Besetzung, angefĂŒhrt von der 13-jĂ€hrigen Siiri Solalinna als Tinja, die ihre schwierige Rolle glanzvoll umsetzt. Ebenfalls weiĂ Sophia HeikkilĂ€ als Mutter zu ĂŒberzeugen, deren Liebe zu ihrer Tochter durch krankhaften Ehrgeiz ĂŒberschattet wird. Zeigen, nicht erzĂ€hlen - diesen filmischen Grundsatz befolgt Regisseurin Hanna Bergholm exemplarisch, wenn sie eine lange Narbe am Bein der Mutter ins Bild setzt und damit den Grund der Ambition verrĂ€t: Durch einen Unfall ist offenbar die Eislauf-Karriere der Mutter zerstört worden, weshalb nun in die Tochter glĂŒhende Erwartungen als Turnerin gesetzt werden. Was Tinja als MĂ€dchen an der Schwelle zur PubertĂ€t will und braucht, gerĂ€t dabei völlig in den Hintergrund.
Mit der Thematisierung der sozialen Medien als Suchtmittel der frustrierten Mutter, die nebenbei auch Ablenkung in einer AffĂ€re sucht und dies nicht mal groĂartig vor ihrer Familie verheimlicht, riskiert Bergholm zwar eine gewisse PlakativitĂ€t, aber fordert unterschwellig auch den Zuschauer heraus. Der sieht schlieĂlich zunĂ€chst genau wie die Social-Media-Zuschauer vor allem eine beneidenswert glĂŒckliche und gutaussehende Bilderbuchfamilie, von der erst mit fortschreitender ErzĂ€hlzeit der Lack abblĂ€ttert. Jani Volanen und Oiva Ollila als verweichlicht-Ă€ngstlicher Vater und rachsĂŒchtiger Bruder von Tinja sind weitere ĂŒberzeugende Akteure. Die Wendungen in Tinjas Interaktion mit Tero (Reino Nordin), der AffĂ€re ihrer Mutter, tragen viel zur Spannung in der zweiten HĂ€lfte des Films bei.
Das von Tinja "ausgebrĂŒtete" Wesen ist nach Online-Informationen weitgehend ohne CGI entstanden, wobei ich hin und wieder schon den Eindruck hatte, dass etwa die Augen und deren Bewegungen schon nach Computereffekten aussehen, aber da kann ich mich auch tĂ€uschen ... Jedenfalls funktioniert es im Rahmen eines solchen Films durchaus. Gewalt wird oft nicht direkt gezeigt - hier bleibt der Film eher zurĂŒckhaltend. Der Horror rĂŒhrt aus der optischen Wirkung der bizarren Kreatur her, aber auch aus dem alltĂ€glichen Horror einer vergifteten Mutter-Tochter-Beziehung. Tolles SpielfilmdebĂŒt von Hanna Bergholm, das "Body-Horror" mit der beliebten "Coming of Age"-Thematik wirkungsvoll zu verknĂŒpfen weiĂ.
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