Eine Kritik von Doc Holiday (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 13.05.2003, seitdem 929 Mal gelesen
Vorsicht, Handlungsspoiler!!
Wie erzählt man eine Geschichte, die schon tausendmal erzählt wurde, und schafft es trotzdem, dass alle gespannt den Atem anhalten?
Keine Ahnung, wie man das macht - aber man sollte vielleicht Clint Eastwood fragen. Oder wenigstens so viel Erfahrung haben wie er. "True crime" (schon der altmodische Schriftzug im Anfangstitel scheint Programm zu sein) sagt uns, was wir alle längst wissen: Todesstrafe ist schlimm, aber die Unschuld des Verurteilten lässt sich auch in letzter Sekunde immer noch beweisen. Wir wissen das, weil wir genügend Filme zu dem Thema kennen. Clint Eastwood kennt diese Filme auch: erinnert nicht schon im ersten Bild das vom Wasser aus gefilmte San Quentin - Gefängnis an das filmlegendäre Alcatraz? Wissen wir nicht seit Ewigkeiten, dass dann, wenn ein Kollege zum anderen sagt "Aber keine Artikel a la Dick Tracy", genau das dabei herauskommen wird? Kennen wir nicht die alten Tricks der Parallelmontage, wenn - wie hier in der letzten Viertelstunde - die langsame und sogar leicht verspätete Handlung (Exekutionsvorbereitungen) rasend schnell wirkt, während die rasante Verfolgungsjagd (herrlich politisch unkorrekt: Clint sitzt volltrunken am Steuer) schleppend und kriechend aussieht, obwohl wir trotzdem wissen, dass er die Rettung schaffen wird? Wie macht der alte Clint das nur, dass es trotzdem mörderisch spannend ist?
Vielleicht liegt es daran, dass er gar nicht erst versucht, uns etwas vorzumachen, uns den Schnee von gestern als etwas Neues zu verkaufen, sondern gleich zugibt, dass seine Geschichte uralt ist: es macht ja einfach einen Mordsspaß, zu Beginn mit anzusehen, wie er in seiner Rolle des Reporters sinnlos die Zeit verplempert (mit Kind im Zoo, mit dem Kollegen im Clinch wegen dessen Frau), denn wir wissen natürlich, dass am Ende jede Sekunde, die er dann nicht mehr hat, zählen wird. Wir wissen auch, dass zum Schluss ein winzig kleiner Gegenstand den Beweis liefern wird, aber wir wollen trotzdem sehen, um welchen es sich diesmal handelt, weil wir hoffen, dass die Erklärung diesmal nicht ganz so unglaubwürdig wie in anderen Thrillern ausfällt (und unsere Hoffnung wird sogar erfüllt). Und sogar in der Schlusssequenz, nachdem wir in dem Glauben gehalten wurden, dass der Unschuldige doch noch gestorben ist, wissen wir längst, dass es ein Happyend gegeben haben muss, denn sonst würde Clints (bzw. Lennie Niehaus') Jazzmusik nicht ganz so beschwingt klingen.
Sei's drum: wer auf experimentelles Kino steht, wir an diesem Streifen wenig Positives finden. Wer aber vermutet, dass die Reihe der reifen Alterswerke Eastwoods noch lange nicht zuende ist, der findet sich bestätigt. Programmatisch ist der Dialogsatz des Vorgesetzten (James Woods - er wirkt wie immer) gegenüber Clint: voller Zynismus schickt er diesen zum Gefängnis, um eine "menschlich interessante Geschichte" zu erhalten, die sich gut verkauft. Eastwood liefert uns genau diese Art von Kino, nur ohne den Zynismus: statt auf Effekte setzt er auf die "menschlich interessanten" Aspekte seiner Inhalte. Und das tut gut in einer Zeit, in der viele Filme nur noch einen gefilmten Computermonitor zu zeigen scheinen...
Unser News-Bereich wurde überarbeitet und wird in Kürze weiter ausgebaut werden, damit Sie stets aktuell über alle Neuigkeiten rund um die Welt des Films informiert sind.