Eine Kritik von buxtebrawler (Bewertung des Films: 9 / 10) eingetragen am 23.06.2022, seitdem 99 Mal gelesen
Dokumentationen über Metal im Allgemeinen gibt es bereits einige, auch solche, die sich speziell mit dem US-amerikanischen Thrash Metal auseinandersetzen. Was deutschen Thrash betrifft, existierten bislang lediglich der TV-Film „Thrash Altenessen“ aus den 1980ern, der die Band Kreator in den Fokus setzte, sowie die zweiteilige, auf DVD veröffentlichte Dokumentation „Lords of Depravity“, die sich detailliert der Geschichte der Band Sodom widmet. Mit „Total Thrash – The Teutonic Story” legt Daniel Hofmann nun den ersten bandübergreifenden und überregionalen Dokumentarfilm über die Entwicklung der deutschen Thrash-Szene von ihren Anfängen bis heute vor.
Hofmann ist Betreiber einer Internet- und Filmagentur, Metal-Festival-Veranstalter, Herausgeber des „Metal Striker“-Magazins und nicht zuletzt Metal-Fan. „Teutonic Thrash“ ist sein erster abendfüllender Film, der im Juni 2022 ins Kino kam.
Auf Grundlage dessen, was britische Bands wie Motörhead und Venom und schließlich, im Jahre 1983, die US-Vorreiter Metallica und Slayer geschaffen hatten, formierten sich im Ruhrgebiet gleich mehrere, aber auch in Weil am Rhein (Destruction) und Frankfurt am Main (Tankard) deutsche Pioniere der Thrash-Szene. In Form einer Oral History und erweitert um historisches wie aktuelles Bild- und Videomaterial lässt der Film ohne jeden Off-Kommentar die Protagonistinnen und Protagonisten die Entwicklung nachzeichnen, von den rohen Anfängen und beachtlichen Erfolgen auf dem Zenit in den 1980ern über die Flaute und experimentelle Phase in den 1990ern bis zum Comeback des ursprünglicheren, aggressiveren und schneller gespielten Sounds ab Ende der 1990er, das bis heute anhält und zahlreiche hungrige, junge Bands hervorbrachte.
Hofmann besucht mit seinen Interview-Partnerinnen und -Partnern zahlreiche Originalschauplätze in ganz Deutschland, an denen Thrash-Geschichte geschrieben wurde und wird, von Schrebergärten in Altenessen über Naturidylle am Rhein und Autobahnbrücken bis zu Konzertorten und Szenekneipen. Hauptsächlich kommen Musiker und immerhin auch eine knappe Handvoll Musikerinnen zu Wort (der Männerüberschuss in der Szene ist immens), aber auch ehemalige Manager sind ebenso vertreten wie Booker, Roadies, Produzenten, Label- und Plattenladenbetreiber, Journalisten und nicht zuletzt Fans. Es wird viel vom alten DIY-Geist erzählt, von Proberaumdemos, Tapetrading, eigenen Fanclubs, Kollegialität, vom Einfach mal machen. Wie diese Aufbruchsstimmung rekapituliert wird, ist höchst erfrischend, nicht selten ein bisschen selbstironisch und humorvoll, und erinnert nicht von ungefähr an den alten Punk-Spirit. Kaum eine andere Möglichkeit als erfinderisch zu werden und zu improvisieren hatte die Szene in der DDR, die Hofmann keinesfalls übersehen hat.
Mit seinem vom Steigerlied umklammerten Film hat Hofmann die Herausforderung gemeistert, die Geschichte des deutschen Thrashs im Schnelldurchlauf zu erzählen und Hunderte einzelner Gesprächsfetzen aus tonnenweise Filmmaterial so herauszupicken und aneinanderzureihen, dass es trotzdem kohärent wirkt und einen angenehmen Erzählfluss ergibt, dem man gern folgt. Das muss eine enorme Sisyphos-Arbeit gewesen sein, vor der ich meinen Hut ziehe – zumal keine große Produktion dahinterstand.
Als in den 1990ern viele Bands ihren Stil änderten – nicht selten bis zur Unkenntlichkeit –, blieben Sodom als so gut wie einzige größere deutsche Band standhaft und legten mitunter sogar noch ‘ne ordentliche Schippe drauf. Als der Film diese Phase behandelte, fragte ich mich, wann dies denn endlich einmal jemand erwähnen würde. Letztlich oblag es Sodom-Frontmann Tom Angelripper selbst, dies zu tun. Speziell für diese Tatsache haben Sodom bis heute einen dicken Stein bei mir im Brett.
Etwas schade ist es, dass ausgerechnet Mille von Kreator durch Abwesenheit glänzt. Die Geschichte Kreators wird dafür jedoch von Ventor erzählt, der das ausgezeichnet macht. Schmerzlich vermisst habe ich jemanden von Living Death, immerhin ist die Velberter Fanszene vertreten. Jüngeren deutschen Black Thrash, der nicht selten auf die Anfänge der drei großen deutschen Thrash-Bands referenziert, klammerte man leider komplett aus. An deren Stelle ist der eine oder andere Nachwuchs-Act vertreten, den ich als weniger relevant erachte.
Sei’s drum, „Total Thrash – The Teutonic Story” ist als Szeneporträt ein wichtiger, überfälliger Grundstein, der ein starkes Fundament schafft, auf dessen Grundlage die vielen angerissenen Teilbereiche gesondert vertieft werden können. Hofmann ging mit dem Film auf Kinotour durch Programmkinos in ganz Deutschland, war persönlich vor Ort, beantwortete bereitwillig Publikumsfragen und trank gern anschließend auf Aftershow-Partys das eine oder andere Bierchen mit den Zuschauerinnen und Zuschauern. Ich wünsche viel Erfolg mit diesem Film, der idealerweise auch ein Publikum über die eigene Szene hinaus findet.
Unser News-Bereich wurde überarbeitet und wird in Kürze weiter ausgebaut werden, damit Sie stets aktuell über alle Neuigkeiten rund um die Welt des Films informiert sind.