Eine Kritik von Sauza (Bewertung des Films: 6 / 10) eingetragen am 27.06.2022, seitdem 330 Mal gelesen
Stilgerecht in einer Oper hält Starautor Kloster (Diego Peretti) eine Lesung seines neuen Buches und läßt sich dabei von seinen Lesern feiern - erst der Hinweis eines Journalisten, daß am obersten Balkon eine junge Dame auf ihn wartet, läßt ihn zu dieser hinaufsteigen. Dort angekommen, findet ein kurzes Gespräch statt, in dessen Folge einer der beiden hinabstürzt...
Doch was hat es mit diesem Sturz auf sich? Hierzu blendet der Film 12 Jahre zurück: die damals gerade erwachsene Luciana B (Macarena Achaga) war seinerzeit Tagesschreibkraft u.a. bei Kloster und seiner Familie, spielte nebenbei mit der kleinen Tochter und war dort gern gesehen, bis der schon damals populäre Schriftsteller eines Tages zu weit ging und die junge Frau mit einem Kuss zu verführen versuchte. Luciana ging nach dieser Szene und kam fortan nie wieder - eine wegen sexueller Belästigung angestrengte Klage brachte ihr zwar einen Scheck in Höhe der geforderten Summe ein (nonchalant schweigend vom Autor vor Gericht unterzeichnet), doch Luciana löste diesen nie ein.
Stattdessen wurde ihre Familie, wie zahlreichen Rückblenden zu entnehmen ist, in den folgenden Jahren immer mehr dezimiert: zuerst traf es einen ihrer Brüder, einen Rettungsschwimmer, der seltsamerweise im Meer ertrank, dann vergiftete sich ihr Vater, ein ausgewiesener Pilzkenner, mit Knollenblätterpilzen, was ihre Mutter nur knapp überlebte (um später bei einem merkwürdigen Krankenhausbrand zu sterben), und schließlich wurde ihr anderer Bruder von einem eifersüchtigen Häftling erschlagen, der mit gefälschten Briefen an seine Frau auf ihn aufmerksam gemacht wurde. Mittlerweile blieben nur noch Luciana und ihre 15jährige Schwester übrig. Doch da die ehemalige Schreibkraft an allen Tatorten den Schriftsteller unter den Schaulustigen zu sehen glaubte, ist sie felsenfest von dessen Schuld und bösartigem Wirken überzeugt. Sie bittet den Journalisten Esteban Rey (Juan Minují), ihre Geschichte aufzuschreiben und zu veröffentlichen...
Die argentinische Produktion La Ira de Dios ("der Zorn der Götter"), mit die Strafe Gottes nicht ganz korrekt ins Deutsche übersetzt, spielt gekonnt mit mysteriösen Todesfällen, die nie geklärt werden und baut damit eine konstante Mystery-Spannung auf, die nicht nur dadurch an das 1997er Meisterwerk Im Auftrag des Teufels erinnert. Besonders die Optik des Autors Kloster ähnelt einer der besten Rollen Pacinos. Doch während dieser als teuflischer Anwalt bald zum redegewaltigen Grandseigneur aufsteigt, bleibt sein argentinisches Pendant die ganze Zeit still, beherrscht und scheinbar emotionslos - im Gegensatz zum US-Megaseller, der sehr bald die Fronten klärt, weiß der Zuseher bei La Ira de Dios bis zum Schluß nicht, ob es sich um eine ausgeklügelte, perfide Rache des Schriftstellers handelt, um eine von teuflischen Mächten beeinflußte Todesserie oder um eine Reihe seltsamer Zufälle, die von einer etwas verrückten Frau überdramatisiert werden.
Mit diesem Kniff weiß Regisseur Sebastián Schindel (El Hijo) zwar die Spannung konstant am Köcheln zu halten, läßt sein Publikum am Schluß jedoch diesbezüglich verhungern: es gibt praktisch keine Ermittlungen zu den Todesfällen, und Luciana kämpft zwar tapfer, aber völlig allein diesen aussichtlosen Kampf gegen den populären Goliath, was ihr zunehmend mehr Sympathien einbringt. Kloster dagegen wird mit jeder Minute unsympathischer, im Lauf des Films fast schon hassenswert - immerhin muß er ebenfalls einen schmerzlichen Verlust hinnehmen, als seine mit der Erziehung überforderte, deutlich jüngere Frau die ständig nach Luciana verlangende Tochter ertränkt und sich dann mit Schlaftabletten das Leben nimmt. Hier enden dann auch die Gemeinsamkeiten mit Im Auftrag des Teufels (einmal ganz abgesehen davon, daß der in seiner argentinischen Heimat vielbeschäftigte Diego Peretti im Gegensatz zu Pacino auffallend krumme O-Beine hat).
Der einzige Hinweis auf eine Lösung, den das Drehbuch dem Zuseher gönnt, ist jene Geschichte vom Münzwurf, der - empirisch ausgewertet - nach einer Anzahl Würfen genauso oft Kopf oder Zahl zeigt - dies aber nicht chronologisch abwechselnd, sondern in diversen Serien, die man, jeweils für sich betrachtet, so oder so interpretieren kann.
Leider nimmt das Mystery-Drama dann am Schluß eine eher unerwartete Wendung, als eine der Hauptpersonen eine hanebüchene, rational kaum nachvollziehbare Entscheidung trifft, die absolut nicht zum Vorhergegangenen bzw. ihrem bisherigen Verhalten passt, weiters läßt Schindel in einer perfiden, ja fast widerwärtigen Schlußszene ganz deutlich das Böse triumphieren. Mit diesem Ausgang und der vorerwähnten Wendung war nicht zu rechnen und sie erregt - inhaltlich! - wohl bei den meisten Zusehern nur Abscheu und wirft darüberhinaus auch die Frage auf, welche Message der Regisseur hier wohl (und warum?) weitergeben will.
Trotz einiger Logiklöcher, seinem Mangel an wirklichen Sympathieträgern und einem verurteilenswerten Ende ist La Ira de Dios ein durchaus bemerkenswerter Film, der sich mit einem (publikums-)gerechteren Finale durchaus eine höhere Wertung verdient hätte: 6 Punkte.
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