Eine Kritik von deadlyfriend (Bewertung des Films: 10 / 10) eingetragen am 03.02.2023, seitdem 223 Mal gelesen
Der 15-jährige Mike nimmt seinen ersten Job in einem Londoner Stadtbad an. Dort wird er von der etwa 10 Jahre älteren Susan eingearbeitet, die mit ihm sehr spielerisch umgeht. Die äußerst attraktive Rothaarige merkt aber recht bald, dass sie auf Mike eine besondere Wirkung ausstrahlt, die ihr natürlich schmeichelt. Sie ist aber bereits verlobt, hat noch einen ehemaligen Lehrer von Mike nebenbei laufen und selbstredend keinerlei ernsthaftes Interesse an einem Jugendlichen. Dennoch macht es ihr sichtlich Spaß von Mike umgarnt zu werden, weshalb sie ihm immer wieder Anreize bietet, um das Spiel am Laufen zu halten. Wenn es ihr zu viel wird, schubst sie ihn weg, um ihn hinterher wieder an sich zu ziehen. Dem 15-jährigen fehlt aber die Lebenserfahrung, um dies zu erkennen, weshalb er sich immer mehr reinsteigert, bis es zu einer gefährlichen Obsession wird, die sein Leben fest im Griff hat.
Jerzy Skolimowski drehte dieses eindringliche „Coming of Age“ Drama bereits 1970. Als Schauplätze nahm er das ausklingende „Swinging London“ und drehte vor allem im Rotlichtviertel Soho, in dem Susan mit ihrem Verlobten gerne am Abend unterwegs ist. Die Aufnahmen im Badehaus hingegen wurden in München gedreht. Hierzu wurde das „Müller`sches Volksbad“ verwendet. Das prächtige Bauwerk und sein Innenleben wurde später von Dario Argento in „Suspiria“ noch einmal in Szene gesetzt und es steht auch heute noch in vollem Glanz in München. Zusätzlich entstanden einige Einstellungen auch am englischen Garten. Das Produktionsdesign hat hier aber eine tolle Arbeit verrichtet, um München wie London aussehen zu lassen! Eine Glanzleistung lieferten auch die Darsteller ab. John Moulder-Brown und Jane Asher, die damals mit Paul McCartney liiert war, hatten die Möglichkeit viel zu improvisieren. Skolimowski gab zudem die Anweisung, dass die Kamera immer weiterlaufen soll, egal was passiert und natürlich auch, dass die Darsteller einfach weitermachen sollen, auch wenn es möglicherweise gerade eine Panne gab. Dies macht den Film unglaublich lebendig, da die Protagonisten improvisieren mussten, da wirklich einige Pannen existieren, die im Film zu sehen sind. Zugleich sind die Dialoge einfach erfrischend, da sie einen Echtheitsgehalt haben. Wenn Susan versucht, Mike bei bestimmten Themen verlegen zu machen, gelingt ihr das in Wirklichkeit, weshalb er glaubhaft versucht aus Situationen wieder rauszukommen. Das Zusammenspiel der Beiden ist dadurch einfach wundervoll. Dazu die Kamera, die diese Szenen wundervoll begleitet, ihre Protagonisten immer umkreist und fokussiert. Die Bilder sind nie statisch, sondern total lebendig. Der Schnitt ist ebenfalls perfekt, da harte Cuts an den Stellen zu finden sind, wo sie etwas vermitteln wollen und Szenen wieder ohne Schnitt komplett durchlaufen, um ihnen ihre Magie nicht zu nehmen.
Musikalisch ist hier Cat Stevens am Werk, der dem Film an den richtigen Stellen, eine wunderschöne Untermalung gibt und natürlich auch den Titelsong für den Film geschrieben hat. Aber nicht nur Cat Stevens war hier am Werk. Die Kölner Avantgarde Band „Can“ unterlegte die komplette Soho Sequenz, mit einem psychedelischen Song, der im Zusammenspiel mit den Bildern einfach nur perfekt ist. Skolimowski bat die Band sogar das Stück zu verlängern, damit es genau bei den letzten Bildern der Sequenz endet, da er die Stimmung nicht unterbrechen wollte.
Der durchweg eher heiter angelegte Film, macht sehr viel Freude und bietet ein großes Vergnügen. Wenn nicht immer wieder ein paar Zwischentöne dem Zuschauer mitteilen würden, dass der Spaß ins Gegenteil kippen könnte. Mit kleinen Nuancen zeigt er immer wieder, dass das Verlangen von Mike das Gebiet der Schwärmerei verlassen könnte. Natürlich ist dem Zuschauer auch so klar, dass es bei der Konstellation 15 Jahre und 25 Jahre hier kein Happy End in Richtung Hochzeit, Jubel, Trubel, Trallala geben kann. Der Regisseur erinnert uns dennoch immer wieder daran, dass über allem auch eine Gefahr schwebt. Nicht zuletzt dadurch, wenn das Badehaus im Film, einen neuen Anstrich bekommt und der Malermeister die Wände in blutrot färbt.
Für mich ist „Deep End“ ein absolutes Meisterwerk. Ein Zeitzeuge, der auf eine ungewöhnliche Art und Weise gefilmt wurde und wahnsinnig viel Inhalte vermittelt. Er ist natürlich weit weg vom normalen Spannungskino oder der üblichen Narrative eines Films. Er lebt neben den genannten Dingen von seiner Unvorhersehbarkeit. Man weiß einfach nie was als nächstes passiert bzw. welchen Einfluss die vorangegangene Szene auf den weiteren Verlauf haben könnte. Zudem liefert er viele unvergessliche Bilder ab. Sei es der Pappaufsteller in Soho, der Hot Dog Stand, die Unterwasserszenen und viele mehr. Aber die letzten Szenen des Films werde ich definitiv nie wieder aus meinem Kopf bekommen. Die sind dort für immer eingebrannt. Das sind magische Bilder für die Ewigkeit.
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