Review

Anfang der 70er, die große Zeit des Glamrocks.
Dieser, aus musikhistorischer Sicht meist niedrig eingestufter Periode wird mit "Velvet Goldmine" ein Denkmal gesetzt, anhand der fiktiven Biographien zweier "Größen": Brian Slade und Curt Wild, die lose an die tatsächlichen Existenzen von David Bowie und Iggy Pop angelehnt sind.

Jetzt sollte aber niemand wie ein Wilder nach Gemeinsamkeiten suchen, denn die sind in einem fiktiven Film eher zufällig. Vielmehr ist der Film eine Art Resumee und eine Zustandsbeschreibung dieser Zeit und das gelingt über weite Strecken ganz hervorragend.

Ebenso glamurös und ungewöhnlich wie Glamrock war, so geht das Thema auch dieser Film an: nicht linear!
Zunächst erlebt man eine Art Zusammenfassung, einen Abschnitt der Musikgeschichte und gleichzeitig eine Art von phantasievoller Dokumentation. Ein Ufo fliegt vorbei, dessen Form als Ohrringanhänger den ganzen Film durchziehen wird, als Merkmal des Popidol, des weltverändernden Trendsetters, des charmanten Revoluzzers. Das erste Popidol zu sein, wird hier Oscar Wilde untergeschoben, bis in den 60ern ein junger Mann, der eine betont weibliche Seite besitzt, den Anhänger findet und einen neuen Stil kreiert: gewagt, sexuell beidseitig orientiert, glamurös.

Hier geraten wir nun bald an das Schicksal von Brian Slade, den König des Glamrocks, der seinen eigenen Tod inszenierte, weil er seinem selbstgeschaffenen Bühnenimage Maxwell Demon nicht entkommen konnte. Hier darf man schön laut "Ziggy Stardust" rufen, wenn auch nicht eins zu eins kopiert wurde. Doch der Fake fliegt auf, die Karriere geht bald baden und Slade verschwindet.

Jetzt driften wir ins Jetzt. Doch "Jetzt" ist auch schon vorbei, nämlich 1984, als Stadion- und Schweinerock populär waren. Der Reporter Arthur Stuart wird zum 10.Jubiläum des Bühnentods auf den verschwundenen Slade angesetzt, weil er ja damals dabei war. Wie sehr Stuart dieser Szene hinterhertrauert und sie gleichzeitig verwünscht, wird erst im Lauf des Films klar werden. Schwankend in der eigenen Sexualität, konnte er seine Wünsche nie ausleben und auch sein Glamrock-Outing war eher ein Mißerfolg der unterdrückten Neigungen. Mißverstanden läuft er wie halbherzig dem Trend ein wenig hinterher und spürt in sich das im Film formulierte Gefühl, daß das eigene, eigentliche Leben hier von anderen Personen gelebt wird.

Doch von hier (wir sind etwa eine halbe Stunde im Film) geht es gradliniger zu, wenn Stuart erst den geschassten Manager und dann Slades Frau aufstöbert, die mittels Rückblenden den Aufstieg Slades skizzieren, seine Creation, sein Zusammentreffen mit Curt Wild, die Kollaboration, den Zerfall.

Hat man in der Aufstiegsphase noch das Gefühl einen realistischen Eindruck zu bekommen, versinkt der Film im Abstieg jedoch in einem Sumpf aus finstersten Klischees. Die tiefen gedanklichen Eindrücke werden hier leider den üblichen Stereotypen aus Mißverständnissen, Verschlossenheit und übermäßigem Startum bzw. Drogenmißbrauch geopfert. Das ist leider ein wenig banal und plakativ und so gelingt es dem Film auch am Ende leider nicht mehr ganz, die Kurve zu kriegen.

Das letzte Viertel gerät zwar mit der Entdeckung Arthurs, was aus Slade geworden ist, zu einen bissig-finsteren Statement über die Entwicklung der Musik in den 80ern und über den Wunsch des Künstlers in seinem eigenen Alter Ego aufzugehen, wieder etwas besser (da die Aussage ambivalent, also positiv und negativ zugleich bleibt), doch gerät im Verlauf des Films Slade immer mehr an den Rand und die Figur von Curt Wild rückt ins Zentrum.
Der Schluß deutet (reell oder im Traum ist nicht sicher) die sexuelle und menschliche Befreiung Arthurs an und die Weitergabe des Idols (in Form des UFO-Anhängers) an die nächste Generation. Allerdings sind diese Fingerzeige recht vage und schwer entschlüsselbar.

Christian Bale gibt einen wunderbar verschlossenen Arthur, dem man seine unterdrückten Neigungen beinahe zu den Ohren herauskommen sieht. Rhys-Meyers ist in der ersten Hälfte eine beachtliche Bowie-Interpretation, bis man mit ihm dramaturgisch nicht mehr viel anfangen konnte und seine Figur in Flachheiten versinkt. Beeindruckend dagegen Ewan McGregors Curt Wild, zwar Iggy Pop nur im Verhalten ähnlich (tatsächlich erinnert McGregor über weite Strecken frappierend an Kurt Cobain), aber sonst perfekt dem Image des weggeflippten Stars entsprechend. Sein erster Auftritt ist sicherlich denwürdig, wenn er sich während eines Festivals in der Hose rumfummelt, das Publikum anzüngelt, dann den nackten Hintern präsentiert, um schließlich wild enthemmt sein Ding zu schwingen, während vor ihm die Bühne brennt. Fuck Rock'n Roll!
Toni Collette bringt nebenbei eine mehr als reife Leistung als Slades Frau während Eddie Izzard perfekt den schrillen Zweitmanager mimt.

Der wahre Star des Films ist jedoch sein Soundtrack. Teils aus alten Liedern, teils aus neu geschriebenem Material zusammengestellt ist der Score mehr als mitreißend, allerdings nur, wenn man diese Musikrichtung mag. Ein paar potentielle Ohrwürmer sind mit dabei, teilweise von den Stars selbst gesungen und in Form von (im Film präsentierten) Videos visualisiert.

Eine kristallklare Aussage wird sich aus diesem ausgeflippten Film sicherlich nicht herausfiltern lassen, aber die Anrisse an die tatsächliche jeweils aktuelle Musik sind deutlich genug, um problemlos mitzukommen. Ansonsten teilt sich die Referenz an die Musikgeschichte jedoch den Platz auf dem Podium mit der mindestens ebenso stark betonten Idee der Befreiung des eigenen Selbsts, der Sexualität und dem Ausleben der eigenen Vorlieben. Dafür meine uneingeschränkte Sympathie, zwei Stunden wie ein Trip. Und ich war noch nicht mal auf Drogen dafür. (8/10)

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