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„Das neue Programm arbeitet ganz exakt. Wie berechnet!“ Der Wissenschaftler Crawford Tillinghast (Jeffrey Combs) ruft seinen Mentor Dr. Pretorius (Ted Sorel) in das improvisierte Labor. Eine Apparatur wird in Gang gesetzt. Das Zischeln des elektrischen Stroms wird hörbar. Nicht umsonst lehnt sich der Name Pretorius an eine Figur aus Frankensteins Braut an. Violettes Licht durchflutet den Raum. Die Resonator getaufte Teufelsmaschine zieren überdimensionale Stimmgabeln.
Die Welt von From Beyond – Aliens des Grauens ist mehr als die Sinne des Menschen erkennen. Die Lichtstimmung ist nicht etwa an den Stil des Italieners Mario Bava angelehnt. Es ist eine Verschiebung der Wahrnehmung. Dimensionen überlagern sich. Das sonst für das menschliche Auge unsichtbare ultraviolette Licht beschreibt die Verschmelzung mit einer Anderswelt. Sehr nah an der Kurzgeschichte From Beyond des amerikanischen Schriftstellers H.P. Lovecraft versetzt Stuart Gordon gemeinsam mit seinem Drehbuchautor Dennis Paoli die recht offen gehaltenen Ausführungen in die Gegenwart.

H.P. Lovecraft hatte gerade den Fantasy-Autoren Lord Dunsany für sich entdeckt. Dieser legte seinen Geschichten eine eigens geschaffene Mythologie zugrunde und war so ein großer Einfluss. Von einer professionellen Veröffentlichung war H.P. Lovecraft hier noch weit entfernt. Bevor ihn 1923 die Gründung des Pulp Magazins Weird Tales förmlich ergriff, publizierte unter anderem das halbprofessionelle Home Brew zwei seiner Geschichten.
Hugh Elliots philosophische Abhandlung Modern Science and Materialism soll Lovecraft unmittelbar vor dem 16. November 1920 gelesen haben. An diesem Tag verfasste er inspiriert von einigen Passagen des Traktats die Kurzgeschichte From Beyond. Wie viele Stories dieser Phase erschien auch diese deutlich zeitversetzt. Erst 1934, in der Juniausgabe des Fantasy Fan, gelangte From Beyond an die Öffentlichkeit. Der Form geschuldet konzentriert sich Lovecraft mehr auf die Pointe, als ein komplexes Gebilde auszugestalten. Für Stuart Gordon und den Drehbuchautoren Dennis Paoli war dies ein Glücksgriff, aber nicht die erste Wahl.

Nach dem großen Erfolg ihres Films Re-Animator begannen 1985 die Planungen eines Nachfolgers. Da die Geschichte um Herbert West in den Augen der Filmemacher kein Potential für eine Fortsetzung hatte, begannen sie die langwierige Produktion des Films Dagon. Der Produzent Charles Band hatte Schwierigkeiten mit den dort eingesetzten Fischmonstern. So einigte man sich auf From Beyond.
Mit Sack und Pack zog man nach Italien, wo gleich zwei Streifen produziert werden sollten. Den später veröffentlichten Film Dolls drehte man zuerst ab. Das zur Verfügung gestellte Budget betrug ein Vielfaches der Summe, mit der man Re-Animator verwirklicht hatte. From Beyond – Aliens des Grauens sollte ein Achtungserfolg werden, dem man im Zuge des Vorgängers reichliche Chancen einräumte.
Der phantastische Film war in den 80er Jahren stark geprägt von den animatronischen Geschicken der Effektkünstler, die unter Genrefans zu Stars avancierten. Nie zuvor war es möglich gewesen, Phantasien derart grenzenlos zu greifbarer Realität werden zu lassen. Man muß es sich auf der Zunge zergehen lassen – bei der Erstaufführung auf dem Sitges Film Festival 1986 lief From Beyond zusammen mit Aliens, The Texas Chainsaw Massacre Part 2, Big Trouble in Little China, Nummer 5 lebt!, House und dem gar nicht so unähnlichen Die Fliege Remake von David Cronenberg. Was für eine Zeit!
Eine Vorbildfunktion für From Beyond bekleidete eindeutig John Carpenter’s The Thing. Mit dem nicht ganz akkuraten Zusatz Aliens des Grauens suggeriert der deutsche Verleih eine noch größere Verbundenheit, die sich vermutlich aber eher auf James Camerons Alien-Film stützte. Auch Parallelen zu den Ghostbusters lassen sich im tricktechnischen Panoptikum unterstellen.

Von Szenen surrealer Qualität durchzogen ist es trotz ansprechender Visualisierung schwer, den Schrecken aus Stuart Gordons Umsetzung zu benennen.
Obwohl die ursprüngliche Kurzgeschichte weitestgehend mit dem Vorspann abgehandelt ist, kommen in From Beyond – Aliens des Grauens vornehmlich Handlungsorte aus dem Anwesen des Dr. Pretorius zum Einsatz. Dies beschränkt den Aktionsradius zu dem eines Kammerspiels.
Man findet einen Aufhänger darin, Crawford nach dem Entschwinden seines Mentors in psychologische Betreuung zu geben. Seine Ärztin Dr. McMichaels verfällt sofort dem akademischen Forschungsdrang. Hiermit verkehrt sich das Verhältnis der beiden Figuren von Jeffrey Combs und Barbara Crampton aus Re-Animator. Mit einer erneuten Aktivierung des Resonators stößt die Wissenschaft im Bereich des Spirituellen an ihre Grenzen. Diese Missachtung der kosmischen Ordnung schlägt grausam auf das Duo zurück, zu dem sich der Polizist Bubba Brownley (Ken Foree) gesellt hat.
Im Zeichen der hervorragenden Spezialeffekte, für die sich eine ganze Heerschar an Künstlern verantwortlich zeigt, muss man From Beyond – Aliens des Grauens aus dem Bauch auf sich wirken lassen. Die Vorzensur durch die us-amerikanische MPAA war hierbei ein Störfaktor, denn Stuart Gordon hatte sich vertraglich zu einer R-Rated Einstufung verpflichtet. Für die deutsche VHS Kassette von Lightning Video und später die DVD von Dragon wurden dann keine weiteren Kürzungen vorgenommen. Erst die 2007 durch MGM in den USA veröffentlichte Rekonstruktion als Director’s Cut ermöglicht es aber, sich an der ursprünglichen Vision zu erfreuen.

Stuart Gordon verarbeitet in From Beyond – Aliens des Grauens schmunzelnd die Furcht vor dem Andersartigen, aus der sich Lovecrafts Horror zusammensetzt. Seine Vorgabe war eine Stimulation der Epiphyse durch den Resonator. Dieses auch als Zirbeldrüse benannte Organ im Epithalamus des Zwischenhirns ist eine Rückentwicklung des Scheitelauges, einem primitiven Sehorgan, dessen Lichtempfindlichkeit weiterhin besteht. Durch die Ausschüttung von Melatonin steuert das Organ den Tag- /Nachtrhythmus. Bei einer Störung kann es zu Einflüssen auf die sexuelle Reife und Entwicklung kommen. In der Mystik sagt man diesem dritten Auge eine Wahrnehmungsfähigkeit im Übersinnlichen nach.
Diese Funktionen werden in From Beyond – Aliens des Grauens überzeichnet. Die Figuren entwickeln eine rastlose Manie. Stuart Gordon verwendet einige phallische Symbolik. Zu deren Extrem gehört das Hervordringen der einem Penis ähnlichen Zirbeldrüse durch die Stirn. Diese wird trotz der Parallelen zu Cronenbergs Parasiten-Mörder nur assoziativ zu einem Geschlechtsorgan. Dr. McMichaels verändert sich ausdrucksstark. Aus dem grauen Bücherwurm wird ein von knisternder Erotik aufgeladenes Geschöpf, welches das Heft in die Hand nimmt.

Viele ineinander greifende Details verstärken die Wirkung von From Beyond – Aliens des Grauens mit jeder Entdeckung. Dies kann ein T-Shirt der fiktiven Miskatonic University sein, oder die nach dem Psycho-Autoren benannte Figur Dr. Bloch. Es bietet sich ebenfalls an, die Konstruktion des Resonators auf die Vereinbarkeit mit der Stringtheorie abzuklopfen. Nach dieser setzt sich unsere Welt aus schwingenden Saiten zusammen. Die verwendeten Stimmgabeln könnten die Strings stimulieren.
Hochinteressant ist die gewählte Darstellung der Kreaturen aus der Anderswelt unter anderem durch ein Aal-Wesen. Der Schleimaal nämlich weist bei einer gut 300 Millionen Jahre umfassenden Geschichte ein nur primitiv entwickeltes, lichtempfindliches Sehorgan auf. Während das Gehirn ganz besonders auf die Geruchswahrnehmung ausgerichtet ist, findet sich hier keine Zirbeldrüse. Hervorragend passt dieses Tier für eine Darstellung der in der Vorlage nicht beschriebenen Monster! Immerhin hat der Schleimaal nebst der Produktion reichhaltig im Film vorkommenden Glibbers auch in seiner Sexualität eine Besonderheit: Als Zwitter produziert er weibliche wie männliche Keimzellen.
Mit diesen Charakteristika überlappen die in From Beyond – Aliens des Grauens angesprochenen Triebe und das allumfassende Violett. Schließlich handelt es sich um die Vereinigung des männlichen Blau und des weiblichen Rot. Trugen beide Geschlechter im Mittelalter ein Veilchen (Französisch: Violette), um ihren Singlestatus anzuzeigen, den sie auch beizubehalten gedachten, wurde Violett in den 20er Jahren zur Farbe der Femme Fatale. Dies trifft das bestimmende Auftreten von Dr. McMichaels sicher am besten, obschon Violette in der Frauenbewegung zahlreich Verwendung findet.

Putzig ist, dass Jeffrey Combs von Christian Tramitz eingedeutscht wird. Aus dem Munde Ken Forees tönt die Stimme Manfred Erdmanns, den man als B.A. Baracus oder Dr. Zoidberg in Erinnerung hat. Der Soundtrack von Richard Band erinnert nicht selten an Bernard Herrmann und steigern so die zeitlose Qualität.

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