Eine Kritik von Moonshade (Bewertung des Films: 6 / 10) eingetragen am 15.10.2021, seitdem 118 Mal gelesen
Aus der Schublade „TV-Kuriosa, die mir bei Youtube vorgeschlagen wurden“! (Und dich ich trotz verwaschener Aufnahmen verwegen durchstand!)
Gut, anders kommt man an Pretiosen der 70er wie „Paper Man“ auch nicht mehr ran, die damals der "Film der Woche" oder der „Mittwochsfilm“ auf diesem oder jenem Network waren, aber während Columbo immer noch permanent bejubelt wird (er ist aus der gleichen Zeit und Kategorie) und ich mich sonst immer über die Grusel-Versuche lustig mache, versuchen wir es hier mal mit einem Thriller.
Der Plot ist so universell, wie er auch heute noch angewandt werden könnte, abgesehen davon, dass Paypal wohl eine tragende Rolle inne hätte: vier Studis entdecken eine Kreditkarte auf eine nicht existente Person namens "Henry Norman" und nutzen sie mal fröhlich. Als die Mahnungen eintrudeln lassen sie Henry von einem nerdig-introvertiert-traumatisierten Kommilitonen und Computergenie für alle Ämte und Systeme bis zur Geburtsurkunde nachbauen, damit keine Spur zu ihnen führt.
Dumm nur, dass plötzlich einer nach dem anderen den Löffel abgeben muss, was immer mit computerbasierten Anwendungen zu tun hat: ein falscher Medikamentenplan, ein Fahrstuhldefekt, ein Stromschlag.
Da fragt man sich natürlich, ob es nicht doch einen „Henry“ gibt, ob Nerd Dean Stockwell ("Zurück in die Vergangenheit", der hier mit einer aufgewuschelten White-Afro-Frisur echt crazy ausschaut) vielleicht Rache nehmen will oder irgendjemand anderer ein Interesse daran haben könnte. Weil ich gemein bin, verrate ich die – angesichts des Casts – recht offensichtliche Lösung nicht, kann aber sagen, dass sie in Sachen Plotkonstruktion der am wenigsten belastbare Teil des Films ist.
Ansonsten ist das Ergebnis aber hübsch mysteriös, die spätere "Jennifer Hart" (aus "Hart aber Herzlich"), also Stephanie Powers, darf hier wohl letztmalig auf Studentin machen und gibt dann auch gleich das potentielle „final girl“.
Mit der Gewalt musste man zwar haushalten (der Film ist komplett blutfrei), aber schön mysteriös sind die Bilder dennoch. Einer der Studis hatte nämlich als reellen Avatar besagten „Paper Man“ gebastelt, eine lebensgroße Menschenfigur, die dann immer an vor den „Unfällen“ an den Tatorten auftaucht. Historisch denkwürdig ist auch die Sequenz, in der ein Opfer durch die Flure eines Instituts gehetzt wird: sie rennt auf die Kamera zu und hinter ihr gehen nacheinander sie verfolgend alle Deckenhalogenleuchten aus, als würde die Dunkelheit sie verfolgen. Dieses Stilmittel – immer noch sehr beliebt in Horrorfilmen und Thriller des 21.Jahrhunderts – habe ich meines Wissens noch nie in einem so alten Film (1971) gesehen.
Am Ende gönnt man sich dann noch ein paar mysteriöse Fragezeichen, die darauf hindeuten, dass der Computer durchaus ebenfalls verdächtig wäre, eine hübsche Spekulation. Quasi 7 Jahre vor dem ersten Home Computer in Serienreife produziert, ist der Zentral-PC natürlich der übliche wandgroße Kasten mit den irre durcheinander funkelnden Leuchttasten und den orgelnden Programmierlauten, aber was damals – noch mit Lochkartenausdruck – offenbar alles schon ging, ist durchaus beeindruckend und zeitgeschichtlich interessant.
Natürlich am Ende keine Offenbarung, aber auch kein Thriller von der Stange, sondern ein interessanter Mix aus Mystery und einem Hauch SciFi, wenn auch als sehr realistische Zutat. (6/10 auf der historisch angejahrten B-Skala).
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