Eine Kritik von niklas90 (Bewertung des Films: 5 / 10) eingetragen am 09.10.2009, seitdem 1410 Mal gelesen
An seinem dritten Geburtstag beschließt der kleine Oskar, nicht mehr zu wachsen, um nie in der verlogenen Welt der Erwachsenen anzukommen. Mit seiner Blechtrommel artikuliert sich der klein gebliebene Heranwachsende, der mit seiner Stimme Glas zerspringen lassen kann.
Günther Grass, ein gefeierter Literat, mit dem Nobelpreis geehrt, einer der wenigen noch lebenden Autoren, deren Werke in Deutschland abiturrelevant sind und prominenter als kaum ein anderer deutscher Autor. Volker Schlöndorff, einer der bekanntesten deutschen Regisseure, mit dem Oscar prämiert und später auch in den USA aktiv. Die Blechtrommel, das herausragende Werk, mit dem beide automatisch assoziiert und in Verbindung gebracht werden, mit dem Auslands-Oscar prämiert und in Deutschland nach wie vor als einer der besten Filme aller Zeiten gehandelt. Wieso verdammt?
Nun hätte Grass` Roman, trotz der drastischen Kürzung um eine gesamte Erzählebene sicherlich eine Menge Potential für einen guten Film gehabt, denn es braucht immer mal wieder enorm groteske Ideen, wie beispielsweise die um den kleinen Oskar, der einfach nicht mehr wächst, sich mit einer Blechtrommel artikuliert und mit seiner Stimme Glas zerspringen lassen kann, um wirklich außergewöhnliche Filme hervorzubringen, die polarisieren und zum Kult avancieren. Aber an der Umsetzung der Vorlage scheitert Schlöndorffs Projekt bereits früh.
Die Gründe, weswegen Oskar das Wachsen einstellt, sind sicherlich noch im Bereich des Nachvollziehbaren, doch seine Rebellion gegen die Welt der Erwachsenen wird nicht so explizit und anschaulich erzählt, wie man es sich hätte erhoffen können und auch die Rolle Oskars als ein distanzierter Beobachter der Erwachsenenwelt geht nicht klar aus dem Film hervor. Vielmehr nervt der kleine Oskar, der seinen Platz in der Welt der Erwachsenen nicht finden will, mit seinem ewigen Trommeln und Schreien, ist herzlich unsympathisch und die verschiedenen Aktionen, die seine Rebellion mit sich bringt, sind kaum nachvollziehbar und sind nicht zu ergründen, wenn man nicht genauere Kenntnis vom Roman hat.
Als Zeit- und Gesellschaftsportrait ist "Die Blechtrommel" etwas überzeugender, aber auch nicht so gut, wie sie hätte werden können. Die Verlogenheit der Erwachsenen im Umfeld von Oskar wird durchaus deutlich dargestellt und mit einigen satirischen Seitenhieben unterstrichen, ähnlich wie es beim Nationalsozialismus zumindest teilweise und auch in Ansätzen bei der Religion der Fall ist. Das Gefühl, ein wirklich gelungenes Gesellschaftsportrait zu sehen, bleibt jedoch aus, weil der distanzierte Blickwinkel von Oskar sehr unbeholfen in die filmische Adaption übertragen wurde.
Die Symbole, die Grass in seinen Romanen allgemein sehr gern verwendet, werden weitestgehend solide in die Verfilmung gerettet, besonders gelungen ist die Szene, in der Mario Adorf schließlich an seinem Harkenkreuz-Anstecker und damit an seinen eigenen Lügen und Fehlern erstickt, aber ein paar ganz nette Momente und der eine oder andere Interpretationsansatz, der im Roman zudem viel weiter gedacht wurde, machen noch lange keinen guten Film aus.
Aber die inhaltlichen Mängel sind nicht einmal das Hauptproblem des Films, man hätte wohl kaum von Schlöndorff erwarten können, wirklich alles aus Grass` Roman in einen nicht einmal dreistündigen Film zu packen, viel ärgerlicher ist der niedrige Unterhaltungswert. So grenzt die distanzierte Machart mit den zahlreichen (im Roman sogar noch extremeren) Sex- und Ekelszenen, dem Blickwinkel aus Oskars Sicht und den Charakteren, die keinerlei Identifikation oder Ähnliches zulassen den Zuschauer förmlich aus und lässt ihn zu keinem Zeitpunkt wirklich am Geschehen teilhaben. Während sich die tieferen Ansätze kaum ergründen, tut der holprige, mitunter episodische Erzählstil sein übriges, um einen allerhöchstens mittelmäßigen Unterhaltungswert zu liefern. Und da kann die verhältnismäßig teure und aufwendige Roman-Adaption optisch auch noch so opulent daherkommen.
Darstellerisch gibt es wenig Grund zur Beschwerde. Die deutschen Charaktergrößen wie Mario Adorf, Angela Winkler, Katharina Thalbach und die übrigen Darsteller spielen ihre Charaktere ausgezeichnet, auch wenn es ihnen nicht einmal im Ansatz gelingt, den Zuschauer an das Schicksal ihrer Figur zu fesseln. Wirklich ärgerlich ist ausschließlich David Bennent als Oskar Matzerath, der seine Rolle wirklich so nervig und unsympathisch spielt, dass man ihm lieber das Nasenbein brechen würde, als seine Rebellion nachzuvollziehen und weiter zu interpretieren.
Fazit: Das Aushängeschild des deutschen Films hat im Grunde nicht mehr als ein paar ganz nette Bilder und eine handvoll guter Darsteller zu bieten. So werden viele der Inhalte des Romans kaum vermittelt, die Beobachter-Rolle von Oskar kristallisiert sich kaum heraus und seine Rebellion nur in Ansätzen. Was bleibt, ist ein distanzierter Film, der keinen höheren Unterhaltungswert zulässt und mit seiner unglaublich nervigen wie unsympathischen Hauptfigur viele seiner Ambitionen verspielt.
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