An einem Strand endet alles: Kleine Wellen schäumen und rauschen, ein Mädchen versucht einen Drachen emporsteigen zu lassen. "Ich danke dir", sagt Miyuki zu Yoshitaka Nishi, ihrem Ehemann, und fügt nach einer kleinen Pause hinzu: "Verzeih mir". Sie lehnt sich an seine Schulter, er legt seinen Arm schützend um ihren Körper. Nur wenige Augenblicke noch, dann werden Schüsse fallen...
In Kitanos Oeuvre markiert "Hana-bi - Feuerblume" den Kulminationspunkt der Koexistenz seiner zwei Leitmotive: der Gewalt und der (visuellen) Poesie. Es gibt niemanden, der es wagt, solch Gegensätzliches in dieser strengen Form zu synthetisieren. Kitano scheint oft zwischen beidem zu stehen, mal mehr zu dem einen, der Brutalität ("Brother"), mal mehr zu dem anderen, dem Feingefühl ("Dolls"), tendierend. Dabei muss sich aus der Gegebenheit des Nebeneinanderexistierens aber nicht zwangsläufig ein Harmoniegebilde gebären, dem inneren Spannungen gänzlich fremd sind.
Die Gewalttätigkeit, so scheint es, ist in Yoshitaka Nishis Weltanschauung ein selbstverständlicher Akt ohne emotionale Teilnahme. Sie kommt plötzlich, wie aus dem Nichts, und ist energiegeladen. Kitano poetisiert sie nicht, wertet sie in der Ausführung nicht künstlerisch auf, sondern zeigt sie, wenn sie die verbale Kommunikation ersetzt, schnell ablaufend ohne Vorwarnung, allerdings übertrieben in ihrem Wirkungsgrad. Gewalt sei, laut Kitano, notwendig, um einige Botschaften zu vermitteln. Problematisch nur, dass sich diese Notwendigkeit gelegentlich schwer erschließen lässt. Am wenigsten dann, wenn es eigentlich etwas zu sagen gäbe und stattdessen alles unausgesprochen bleibt. Nishi löst den Konflikt, er vermeidet ihn paradoxerweise sogar - denn zu einer Gegenreaktion kann es gar nicht mehr kommen -, indem er Waffe und Faust sprechen lässt. Er explodiert schlagartig, um sich dann noch schlagartiger wieder in einen Ruhepol zu verwandeln. Dieses aggressive Verhalten, in seiner Kürze und Energie einem Blitz ähnelnd, erklärt ihn zu einem gefühlskalt erscheinenden, kommunikationsunfähigen Menschen. Nur bedurfte es dazu des Gewalttätigen? Muss Nishi einem Yakuza deshalb unbedingt ein Essstäbchen ins Auge rammen?
Es gibt Szenen, die ohne Worte auskommen - und ohne Gewalt - und doch alles sagen. Es sind Szenen wie jene, die Miyuki und Nishi zusammen zeigen. Kommuniziert wird dann selten, gesprochen schon gar nicht. Eine zarte Komik, eigentlich ist es Tragikomik, tritt indes an die Stelle des Dialogs und offenbart die einzigen sichtbaren Gemütsbewegungen - so, wie es geschieht, als ein Selbstaufnahmefoto durch ein vorbeikommendes Fahrzeug misslingt oder Miyuki sich im Auto wundert, dass Nishi ihr alle der für ihn eigentlich nicht erkennbaren, jedoch im Rückspiegel zu sehenden Spielkartenmotive benennen kann. Ansonsten ist die Beziehung zwischen Miyuki und Nishi ein stillschweigendes Abkommen über das Schweigen. Am Strand wird Miyuki einmal sprechen, nicht viel, nur jene zwei Zeilen: Die Bitte um Verzeihung für etwas, für das sie nicht um Verzeihung bitten muss: ihre unheilbare Krankheit. Und die Danksagung an Nishi, der ihr Krankenzimmer betrat, sich setzte, eine Zigarette anzündete und es praktizierte: das Schweigen. Da war keine Anteilnahme, keine Zuneigung, kein Liebesbeweis. Doch Miyuki dankt schließlich. Für was? Für das, was nie ersichtlich wird an der Oberfläche; tatsächlich für die Zuneigung, den Liebesbeweis. Denn Yoshitaka Nishi ging mit seiner Frau noch einmal auf Reise - mit dem Geld, das er bei einem abgebrüht kalkulierten Banküberfall erbeutete -, verbrachte viel Zeit mit ihr und sie beide schwelgten in den Herrlichkeiten des Moments. Nishi ist nicht unfähig zu fühlen, er ist nur unfähig, das Gefühlte auszudrücken.
Bewundernswert die Selbstinszenierung zelebrierend mimt Kitano diesen in sich gekehrten Fels in der Brandung, diese interessante Gestalt, den wortkargen Stoiker, der seinen harten Blick manchmal hinter einer Sonnenbrille zu verstecken weiß, verschlossen gegenüber seiner Umwelt, doch aufgewühlt im von schicksalhafter Tragik heimgesuchten Herzen, das schon den Tod seines Kindes zu verkraften hatte. Nishi tritt, schlägt und schießt, als gäbe es keine moralischen Werte. Doch hinter den kantigen Gesichtszügen, dem kalten Habitus, der reduzierten bis regungslosen Mimik, verbergen sich Empfindungen - vor allem schmerzvolle. Sie werden sichtbar in einer fragmentarisch immer wiederkehrenden, sich langsam aufschlüsselnden Rückblende, in der von einem polizeilich gesuchten Mann abgefeuerte Kugeln zwei Kollegen des Kriminalkommissars Nishi durchsieben und für einen der beiden zum tödlichen Verhängnis werden. Zu sehen ist alles in Zeitlupe, dem passenden Mittel zur Visualisierung traumatischer Bilder; Bilder, die herumgeistern in Nishis Erinnerungen, ad infinitum.
Als Kriminalkommissar glaubt er, versagt zu haben: Ein anderer Kollege und guter Freund, Horibe, wurde bei einer Observierung angeschossen und ist seitdem, von Kind und Frau verlassen, an den Rollstuhl gefesselt. Beim Attentat auf Horibe war Nishi nicht für ihn da. Die Selbstzweifel, die Vorwürfe, auch sie sind hartnäckig wie Gespenster, haben mit Nishis Kopf einen heimeligen Wirt gefunden. Das ist die Ambivalenz dieses Mannes: im Inneren sensibel, doch äußerlich desensibilisiert. Um die psychischen Zerwürfnisse darzustellen, erweist sich die Gewalt - die zum einen langsam und quälend und zum anderen schnell und überraschend ablaufenden Sequenzen, in denen Nishis Kollegen angeschossen werden - als zweckmäßig und notwendig im Sinne der transportierten Botschaft. Ebenso und besonders am Schluss, als die Schüsse sogar nur zu hören und nicht zu sehen sein werden.
Anders verhält es sich mit den übrigen spontanen Gewalteruptionen. Sie sind nicht sinnlos, allerdings genauso wenig sinnvoll in einem sehr besinnlichen und audiovisuell so emotionalen Film wie diesem, in dem einfühlsame Klänge von Joe Hisaishi fabelhaft durchkomponierte Reisebilder begleiten. Die eher statische Kamera beobachtet dabei distanziert, aber keineswegs abweisend. Was Kitano verbal nicht aussprechen lässt, drückt er über die Bildsprache aus. Er schlägt die Brücke zwischen Film und Malerei, bewegten und unbewegten Bildern. Ein symbolischer Stellenwert gebührt den unregelmäßig in Zwischenschnitten zu sehenden Gemälden von Horibe, die, anregt durch Nishi, der ihn mit den erforderlichen Utensilien des Malers beschenkte, nach einem Selbstmordversuch entstehen und ihm einen neuen Lebensinhalt verleihen. Motivisch zeigen sie in fast expressionistischen Farben Tiere, deren Häupter durch Blüten ersetzt sind. Und auch im Hintergrund sind an Wänden immer wieder Gemälde zu entdecken, die wie alle in "Hana-bi" der künstlerischen Hand Takeshi Kitanos entsprungen sind. In Kombination mit Hisaishis Musik wird besonders dann die Fragilität seines Werkes deutlich und es drücken sich Emotionen aus, die Kitanos Protagonisten zu offenbaren nicht imstande sind.
Vollkommenheit erreicht Kitano allerdings nicht; was ihm bleibt, ist "nur" die asymptotische Annäherung an jene Makellosigkeit. Der Kreis schließt sich, wenn zur Begründung dieser Unerreichbarkeit letzten Endes die nicht zwingend notwendige Gewalt angeführt werden muss, die Kitano nicht übermäßig - das keinesfalls -, jedoch kontinuierlich in die apollinische Harmonie navigiert und die innige Anmut seiner sinnlichen Sinfonie mit der Kraft, die dem natürlichen Wesen der Gewalt innewohnt, zerbersten lässt, um dann anschließend doch wieder in die poetische Ordnung zurückzukehren. Auch wenn die daraus resultierenden Spannungen zwischen beiden Komponenten ein etwas misshelliges, polarisierendes Gefüge ergeben, dessen ruhiges Gesicht gewiss das schönere ist, ist ein Zauber zweifellos zu spüren. "Hana-bi" ist ein herausragendes, beinahe stummes Werk der japanischen Medienikone, sowohl des Malers, des Drehbuchautors, des Schauspielers und des Regisseurs Takeshi Kitano - ein bewegender Film eines Multitalents.