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Mörder sind unter uns, Die (1946)

Eine Kritik von buxtebrawler (Bewertung des Films: 9 / 10)
eingetragen am 08.12.2022, seitdem 115 Mal gelesen



Der etwas andere Weihnachtsfilm

„...einer der weiß, dass es sich nicht lohnt, diese Menschheit zu kurieren.“

Wir schreiben das Jahr 1946: Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, die ehemalige Reichshauptstadt Berlin liegt zerbombt in Schutt und Asche, Deutschland ist in verschiedene Besatzungszonen aufgeteilt. Die NS-Vergangenheit ist noch längst nicht aufgearbeitet, noch nicht einmal das reale Ausmaß der Nazigräuel bekannt. Wolfgang Staudte, bereits zu Zeiten der NS-Diktatur als Regisseur und als Schauspieler – als Nebendarsteller auch im antisemitischen NS-Propagandafilm „Jud Süß“ – aktiv gewesen, geht in die Geschichtsbücher als Regisseur und Autor des ersten deutschen Nachkriegsfilms ein, dessen Dreharbeiten sogar noch vor Gründung der DEFA begannen, ein, einem düsteren Porträt der damaligen Zeit, wenngleich es sich auf nur wenige Figuren fokussiert. Staudte weiß: „Die Mörder sind unter uns“.

„Krieg ist immer was Entsetzliches!“

Die Handlung spielt im Jahre 1945 nach Kriegsende: Der Arzt und Ex-Offizier Dr. Hans Mertens (Ernst Wilhelm Borchert, „Der ewige Klang“) kehrt als gebrochener, kriegstraumatisierter Mann nach Berlin zurück, ebenso die junge Fotografin Susanne Wallner (Hildegard Knef, „Unter den Brücken“), die das KZ überlebt hat. Zu ihrer Überraschung muss sie feststellen, dass ihre Wohnung zwar nicht zerbombt wurde, mittlerweile aber von Mertens bewohnt wird, der dort Unterschlupf suchte. Beide arrangieren sich miteinander und unterstützen sich gegenseitig in ihren kargen Leben, nachdem Hans „angekommen“ ist – und mit der Zeit gar zarte Gefühle für Susanne entwickelt, die diese erwidert. Seinen ehemaligen Hauptmann Ferdinand Brückner (Arno Paulsen, „Blaubart“) hält Hans für tot und fällt aus allen Wolken, als er erfährt, dass sich dieser nicht nur bester Gesundheit erfreut, sondern bereits ein eigenes Unternehmen aufgebaut hat, in dem er Stahlhelme zu Kochtöpfen verarbeitet. Mit seiner Frau und seinen Kindern führt er eine bürgerliche Existenz als wohlhabender Fabrikant. Dass er ein Kriegsverbrecher ist, der drei Jahre zuvor ein Massaker an 121 Zivilistinnen und Zivilisten verübte, belastet sein Gewissen kein bisschen. Hans beschließt, Brückner am Weihnachtsabend den Garaus zu machen…

„Ratten... Ratten... überall Ratten... Die Stadt belebt sich wieder!“

In kaum einem Regisseur spiegelte sich die frühe Entwicklung des Kalten Krieges in Deutschland so sehr wider wie in Wolfgang Staudte, der bereits mit seinem ersten Nachkriegsfilm nicht nur persönliche Haltung bewies und Stellung bezog, sondern geradezu visionär die ausbleibende Entnazifizierung, das rasche Übergehen zur Tagesordnung, als sei kaum etwas gewesen, die Besetzung gutbürgerlicher gesellschaftlicher Positionen durch Nazischergen und Kriegsverbrecher, anhand eines Exempels beschrieb – und zwar inmitten der ebenso beeindruckenden wie erschreckenden, authentischen Kulissen des zerstörten Berlins. Während die Trümmer noch mahnen und die überlebenden Kriegsversehrten ihre Wunden lecken, machen Täter wie Brückner schon wieder Reibach.

„Wir haben doch Weihnachten!“

Staudte tat gut daran, Brückner nicht als Monster darzustellen, sondern als jemanden, der oberflächlich betrachtet sogar recht sympathisch wirkt. Brückner hadert nicht, quält sich mit keinen Schuldgefühlen herum oder tut Buße, sondern findet sich unter den neuen Umständen schnell zurecht und versteht es, diese für sich zu nutzen. Für Hans ist das unerträglich mitanzusehen. Er wird von Kriegserinnerungen geplagt, die Staudte akustisch umsetzte. Hans guckt viel aus dem Fenster, aus Skepsis gegenüber der Gesellschaft wahrt er Distanz. An Weihnachten passt Hans Brückner ab, um ihn zu richten – denn es war auch Weihnachten, als Brückner 121 Menschen erschießen ließ und mit seinem Regiment anschließend unbeschwert feierte. Staudte inszeniert eine Rückblende zu den damaligen Ereignissen als Kontrast zu einer Weihnachtsansprache Brückners und zu Weihnachtsgesang. Das ist extrem starker Tobak und schwer erträglich. Eine weitere Rückblende zeigt den Sieg über Brückner und sein Regiment sowie die Pistolenübergabe Hans‘ an Brückner im Angesicht des Todes.

„Ich bin doch unschuldig!“

Mit den genannten Rückblenden verlässt Staudte das Feld der Andeutungen und breitet Brückners ganzen mörderischen Zynismus vor den Zuschauerinnen und Zuschauern aus, um ein Finale einzuleiten, das ursprünglich anders geplant war. Statt Selbstjustiz siegen Vernunft und Hoffnung in den Rechtsstaat. So hatten es die Sowjets verfügt. Und, ja: Dieser Ausgang steht dem Film tatsächlich gut. Staudte orientierte sich stilistisch stark am deutschen Expressionismus mit dessen Schattenspielen und wählte einige ungewöhnlich, gar gewagte, etwas schlüpfrige Kameraperspektiven, die „Die Mörder sind unter uns“ nicht nur inhaltlich, sondern auch visuell herausstechen lassen. In Kombination mit seinem gebrochenen Protagonisten und der düsteren Grundstimmung entstand so eine Art deutscher Film noir, zugleich einer der besten und ernstzunehmendsten Filme dieses Bereichs, obwohl auf manch gängiges Genre-Topos verzichtet wurde. Auch schauspielerisch ist der Film stimmig besetzt. „Die Mörder sind unter uns“ ist zweifelsohne einer der wichtigsten deutschen Filme, doch war er zu nah an der schmerzhaften Wahrheit, sodass die bundesdeutsche Filmproduktion schnell dazu überging, das Publikum mit restaurativen Heimatfilmen und Geschichtsverdrängung zu unterhalten respektive abzuspeisen, während die Politik sich auf den neuen alten Feind aus dem Osten konzentrierte und in antikommunistischen Ressentiments erging. Die Mörder indes waren noch lange, lange Zeit unter uns.

8,5 von 10 Punkten für dieses nicht nur als Zeitdokument großartige Pionierwerk, das einen Grundstein für Krieg und Faschismus ver- und aufarbeitendes, anspruchsvolles Kino legte, dem es in der Folge mitunter gelang, je nach Gewichtung die emotionale oder politische Ebene noch stärker herauszuarbeiten.


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