Eine Kritik von Blade Runner (Bewertung des Films: 5 / 10) eingetragen am 08.05.2005, seitdem 1747 Mal gelesen
Unser allseits geschätzter Sam Raimi begann nach seiner frühen, kultigen Horrorphase („The Evil Dead“, „Darkman“) herumzuexperimentieren und landete nach „The Quick and the Dead“ oder „For Love of the Game“ mit „Spider-Man“ dann den großen Kommerzwurf. Auch wenn man ihm den Erfolg gönnt, wünscht man sich irgendwo doch den alten Raimi zurück. Der inzwischen wohl dem schnöden Mammon verfallende Regisseur machte ja jüngst durch seine Eigenschaft als Produzent überflüssiger Horrorergüsse wie „The Grudge“ oder „Boogeyman“ auf sich aufmerksam. Nun, zu Zeiten von „The Gift“ war das noch ganz anders.
Das Budget war klein, die namhaften Darsteller spielten nicht wegen der Kohle mit und um konventionelle Unterhaltung scherte sich Raimi hier auch noch einen Dreck. „The Gift“ ist ein Drama mit Mysteryelementen, nicht perfekt erdacht oder umgesetzt, aber ein Nischenfilm, der trotzdem gefällt, weil es in der heutigen Zeit davon nicht mehr so schrecklich viele gibt.
Ausgedacht haben sich diese Geschichte Billy Bob Thornton und Tom Epperson, die nicht zum ersten Mal zusammen arbeiten und hier eine grundsolide Vorlage ablieferten, aus der Raimi dank seiner Darsteller das Optimum herausholt.
So richtig Backwood wird es hier zwar nie, aber etwas abseits der amerikanischen Durchschnittszivilisation befinden wir uns schon. In so einem etwas weit ab vom Schuss gelegenen kleinen Kaff lebt Annabelle Wilson (Cate Blanchett, „Elizabeth“, „The Missing“) zusammen mit ihren drei Söhnen. Ihr Ehemann kam vor Jahren bei einem Arbeitsumfall ums Leben, also verdient sie sich ein Taschengeld mit ihrer von Großmutter geschenkten Gabe – dem Hellsehen.
Das Sehen nicht alle Leute gern, am wenigsten Donnie Barksdale (Keanu Reeves, „The Matrix“, „Constantine“), der leidenschaftlich gern seine Frau Valerie (Hilary Swank, „The Core“, „Million Dollar Baby“) verprügelt, worauf die jedes Mal bei Annie einkehrt und um Rat ersucht, ihn aber nie annimmt. Donnie, der das spitz bekommt, stattet ihr darauf einen Besuch ab. Als wenig später dann Jessica King (Katie Holmes, „Phone Booth“, „Batman Begins“) verschwindet, wird Annie von den verzweifelten Angehörigen um Rat gefragt. Die Spur führt zu Donnie...
„The Gift“ wird zu einem großen Teil von etwas befremdlichen Figuren bevölkert. Die scheue, nicht mutlose, aber möglichst keine Probleme heraufbeschwörende Annie ist an sich ein herzensguter Mensch, der seine Gabe nie richtig einzusetzen gelernt hat und sich im Umgang damit auch nicht zu 100 Prozent sicher ist. In der Kontaktaufnahme mit der Umwelt vorsichtig und stets um ihre Kinder besorgt, war sie nie in der Lage neu anzufangen. In der kleinen Gemeinde als Sonderling abgestempelt, ist das aber auch eine verfahrene Sache.
Cate Blanchett ist in diesen ruhigen, undurchschaubaren Rollen am besten aufgehoben und dementsprechend solide agiert sie auch. Seinen Starcast hätte „The Gift“ nie nötig gehabt, doch es beeindruckt, wer hier alles mit an Bord sein wollte.
Keanu Reeves nimmt man trotz Vollbart die Rolle wieder nicht ab, weil dahinter immer noch ein Sunnyboy steckt, Hilary Swank, damals noch nicht vollends etabliert, ist hier auch nicht gerade ideal besetzt und Giovanni Ribisi („Gone in Sixty Seconds“, „Basic“) ist als Sonderling immer am besten – darf deswegen hier als traumatisierter Einsiedler ran. Greg Kinnear („We Were Soldiers“, „Godesend“) tut das was er am besten kann, unauffällig und irgendwie sympathisch sein. Achja, bevor ich es vergesse... Für die Holmes-Anhänger wie Dr. Phibes: Die Holmes ist als nackiger Vamp am Start.
Die Mängel lassen sich im Drehbuch entdecken, denn so atmosphärisch es hier nachts im dunklen, vernebelten Wald auch zugeht, der Film kommt nie so recht in Schwung. „The Gift“ ist kein rassiger Horror, kein spannender Thriller und auch nicht wirklich Drama, sondern ein Genremix, der nicht weiß, wohin er letztlich will. Trotz der atmosphärischen Location und der ordentlich spielenden Darstellerriege kostet diese Unentschlossenheit dem Film einiges an Klasse.
Den ausschweifenden Charakter-Unterbau aller Figuren und die ruhige Inszenierung kann man dabei nicht ankreiden. Wer Fastfood-Horror sehen will, soll sich bitteschön „Scream“ reinziehen, doch ein wenig direkter hätte es dann schon sein dürfen.
Von der drohenden Hexenjagd (Annie orakelt da bald einiges zusammen) über schwer zu deutende Visionen erfüllt „The Gift“ dann auch seine Standards. Eigentlich überflüssige Figuren betreten das Geschehen, faseln kurz und treten wieder ab und was eigentlich ziemlich gelungen begann, weitet sich zu einem drögen Mitratekrimi aus, dem dann bis zum nicht ganz so überraschend wie gewollten Finale der Rhythmus fehlt.
Fazit:
Mittelmäßiger Mysterymix, der sich leider nie so recht für eine Linie entscheiden kann, deswegen ausufert, unnötig seine Handlung aufbläht und im Finale enttäuscht. „The Gift“ besitzt dank seiner Sets und düsteren, atmosphärischen Bildkompositionen die handwerklichen Fähigkeiten Sam Raimis, ein richtig guter Genrefilm sieht aber anders aus. Gnadenpunkte bleiben da noch für die zufriedenstellenden Darsteller. Ich reiße mich zum Durchschnitt hin. Nur nach dem Trara was mal um diesen Film gemacht worden ist, enttäuscht das Ergebnis dann schon.
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