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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Klassiker der Homoerotik

Stichwörter: 1940er Anger Avantgarde Erotik Jubiläum Klassiker Kurzfilm Spielfilm Surrealismus Underground USA

Fireworks (1947)

"Mit der Vorstellung von Mord verbindet sich oft der Gedanke an Meer und Matrosen. Meer und Matrosen erscheinen dann nicht mit der Schärfe eines Abbildes, Mord läßt vielmehr unsere Erregung in Wogen verebben. Dass Häfen immer wieder Schauplätze von Verbrechen sind, bedarf keiner Erklärung." So leitete Jean Genet seinen Roman "Querelle" (1947) ein. Das ist 75 Jahre her. Rainer Werner Fassbinder fertigte daraus vor 40 Jahren einen stark homoerotischen Filmklassiker gleichen Titels. Genet selbst lieferte 1950 mit "Un Chant d’Amour" (1950) einen der ersten großen Klassiker des homoerotischen Films, gefüllt mit teils pornografischer Direktheit, aber doch sensibel und durchweg formvollendet. Noch Jahre später sorgten Aufführungen des Films für Skandale. Aber einen anderen großen Underground-Klassiker des homoerotischen Films gab es schon drei Jahre zuvor: Kenneth Anger legte ihn mit "Fireworks" vor. Fünf Filme hatte er in den sechs Jahren zuvor bereits gedreht, aber mit "Fireworks" hat Anger, der noch hier ein Teenager war, seinen ersten Markstein vorgelegt. Wie in Genets Roman desselben Jahres vermengen sich auch hier Matrosen mit Gewalt und Erotik. Matrosen, die bekanntlich in jedem Hafen eine neue finden, die begehrt werden und begehren, aber nicht bleiben können, die sich nahezu permanent in einer Männergesellschaft aus Kameraden bewegen, die kraftvoll in Erscheinung treten. Man wundert sich kaum über das erotische Potential dieser Figuren, auch nicht über die Gewaltsamkeit, die ihnen – heimisch im Ozeanischen – zukommt. In "Fireworks" träumt eine Figur (Kenneth Anger) einen sadomasochistischen, lustvollen, erotischen Alptraum, während sein Zimmer mit Symbolen des Begehrens, der Potenz und der Impotenz ausgestattet ist: Ein Matrose wird erst bewundert, beginnt dann aber damit, sein Gegenüber zu dominieren. Eine ganze Schar von Matrosen gesellt sich hinzu und fällt über den jungen Mann her, dessen nackter Körper – derweil seine Kompassnadel inmitten freigelegter Eingeweide hektisch herumeiert – erst blut-, dann milchüberströmt am Boden liegt. (Eine ähnliche Symbolik findet sich später in Luis Bunuels "The Young One" (1960), weil Bunuels surrealen Kurzfilme sicher nicht ohne Einfluss auf Anger gewesen sind.) Am Ende steht dann das titelgebende Feuerwerk, das aus einem Hosenlatz herausprüht. Man muss bloß einen beliebigen Hollywood-Klassiker desselben Jahres dagegenhalten, um die provozierende Unverschämtheit dieses Underground-Kurzfilms zu begreifen, der zwar alles in Symbolen ausdrückt, aber alles andere als verklausuliert daherkommt. Anger selbst hat das Werk 1966 und auch späterhin noch leicht überarbeitet: Da war er längst eine Ikone des Underground-Films und hatte mit "Scorpio Rising" (1964) die Melange aus Homoerotik und Gewalt im Biker-Milieu eindrucksvoll wiederholt.
Bei Zweitausendeins liegt der Film als Bestandteil der Magick Lantern Cycle-Edition preiswert auf DVD vor: Fassungseintrag von TakaTukaLand


Kommentare und Diskussionen

  1. PierrotLeFou sagt:

    Zum CSD in Berlin ein einigermaßen passender Bonustitel… 😉

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