Crainquebille (1922)
Seit Jahrzehnten ist Jérôme Crainquebille mit seinem Karren als Straßenverkäufer in Paris unterwegs. Es ist ein Missverständnis, das diesen gutmütigen Charakter in Klonflikt mit dem Gesetz kommen lässt – der Streit mit einem Polizisten wird aber dennoch ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen, in welchem Crainquebille mit zweiwöchiger Haftstrafe belegt wird; auch weil der ungebildete Mann Vorurteile vor Gericht auf sich zieht. Diese Haft entpuppt sich zwar sogar als ganz gut verträglich – aber anschließend entpuppt sich der alte Verkäuer als stigmatisiert. Stammkunden springen ab, er ist eine persona non grata, wird zum Trinker, verliert gar jeglichen Lebensmut... bloß kindliche Unschuld weckt dann doch nochmals Hoffnungsschimmer in dem Alten... Die Kinder, die Alten, die Ungebildeten und die Hunde: Feyder präsentiert hier ein kleines Ensemble an Außenseitern, um Vorurteile, Gewohnheiten, Konventionen, Gruppendymiken und Standesdenken abzubilden und das Publikum für die Haupt- und Titelfigur einzunehmen, die sehr bald als Ex-Häftling, Alkoholiker und bildungsferner Alter in ein Milieu fällt, das noch heute erst einmal auf Skepsis stoßen dürfte. Höchst humanistisch gibt sich der Film, der weitgehend an einem realistischen Blick auf die Milieus (in einer etwas sentimentalen Handlung nach Anatole-France-Erzählung) interessiert ist, während der Gerichtsszenen aber auch mit ausdrucksstarken Perspektiven und Montagen arbeitet, in denen sich Feyders Avantgarde-Hintergrund erkennen lässt.
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