Wesele (1973)
Ein Bräutigam (wieder einmal Daniel Olbrychski) und eine Braut aus unterschiedlichen sozialen Schichten, eine entsprechend heterogene Hochzeitgesellschaft, eine seltsam beseelte Stroh-Ummantelung und große Figuren der polnischen KLulturgeschichte: Das ist das Figurenarsenal dieses ausgesprochen seltsamen Films, der mit seinem Soundtrack und seiner Beleuchtung zu den atmosphärisch dichtestens Wajdas gehören dürfte, der aber zugleich mehr als jeder andere Wajda für ein polnisches Publikum gemacht zu sein scheint. Jede(r) andere ist – schaut man den Film ohne begleitende Hintergrundinfos – relativ aufgeschmissen. Nach dem gleichnamigen Stück von Stanislaw Wyspianski aus dem Jahr 1901 drehte Andrzej Wajda diesen Film, der am 9. Januar 1973 erstmals zu sehen war: Schon das Stück gehörte in Polen zu den großen Bühnenerfolgen, stieß jedoch im Ausland eher auf Unverständnis. Das liegt daran, dass es sich bei dieser abenteuerlichen Hochzeitsfeier weniger um ein Liebes- oder Sozialdrama handelt, sondern eher um eine Art Parabel, in der die Traumata der polnischen Geschichte mit ihren Teilungen nachhallen. Denn nicht allein private Gespinste und Visionen tauchen vor den Gästen auf, als die übermütig eingeladene Strohpuppe Chochoł zum Haus der Feiernden kommt, sondern auch nationale Ideen und ihre Personifizierungen. Dabei keimt der Wille zur Herstellung einer polnischen Identität auf – indes wird sich eher eine sonderbare Lähmung ausbreiten. Die zeitliche Distanz zwischen der Handlungszeit des um 1900 spielenden Films und seiner Entstehungszeit kommt noch erschwerend hinzu: zumindest dieses Problem hatte ein nicht-polnisches Publikum bei den jeweiligen ersten Aufführungen noch nicht. Heute immerhin bieten das Internet und etliche Titel der Sekundärliteratur den gewillten Zuschauer(inne)n eine Hilfestellung; inzwischen macht allerdings die schlechte Greifbarkeit des Films seiner verdienten Popularität einen Strich durch die Rechnung. Man kann "Wesele", den man sich schon aus Gründen seiner formalen Qualitäten nicht entgehen lassen sollte, mit ein paar oberflächlichen Kenntnissen vergnüglich betrachten; aber "Wesele" ist ein Film, der zum wiederholten Sehen, zur Betrachtung mit anschließender Diskussionsrunde oder begleitenden Lektüren lädt – und dann noch Größeres Vergnügen zu offenbaren weiß.
In der etwas kostspieligen, im Bonusmaterial nicht immer englisch untertitelten Wajda Antologia Filmowa von CRF liegt "Wesele" neben einem Großteil von Wajdas anderen Filmen auf DVD vor: Fassungseintrag von PierrotLeFou
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