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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Abel Gances monströser Mammutfilm

Stichwörter: 1920er Drama Frankreich Gance Jubiläum Klassiker Spielfilm Stummfilm Vierteiler

La roue (1923)

Ein früher Horror-Klassiker wie "Le masque d'horreur" (1912), eine frühe avantgardistischer Sci-Fi-Komödie wie "La folie du Docteur Tube" (1915), ein immenser Kassenerfolg wie "Mater dolorosa" (1917), ein hochangesehenes, wenngleich vergleichsweise selten angesehenes künstlerisches Prestigeprojekt wie "La Dixième Symphonie" (1918) mit seiner eigens komponierten Begleitmusik, ein früher ambitionierter und fast 3 Stunden langer Antikriegsfilm wie "J'accuse" (1919)... Abel Gance hatte in den ersten zehn Jahren seiner Karriere einen ziemlich erfolgreichen Aufstieg hingelegt. Er hat, was seine Inszenierungskünste betraf, gerne geklotzt und weniger gekleckert – und noch zudem in aller Regel ein großes Publikum erreichen können. Doch die zwei Filme, mit denen sein Name heute verbunden ist, sind zwei fast größenwahnsinnige Projekte, die sich beide angesichts ihrer Übergröße auch mancherlei Kitsch leisten konnten: "Napoleon" (1927) war der zweite Film; ein Vier-Stunden-Epos, das zum finale ins extreme Breitbildformat wechselt, welches bei der Uraufführung das Bild auf dreifache Größe anwachsen ließ (während es heute auf heimischen Bildschirmen freilich im Gegenteil eingedampft wird). Der andere Film war "La roue", der am 17. Februar 1923 seine erste Aufführung erlebte. Das heißt: eigentlich müsste man von vier Filmen sprechen, die ab dem 17. Februar kruz nacheinander gezeigt worden waren. Denn "La roue" war nicht 6 oder 7 Rollen lang, sondern 32 Rollen lang; und selbst die für die internationale Verwertung erstellte einteilige Kurzfassung umfasste noch 12 Rollen. Sieben Stunden dauert(e) das bald gekürzte, über die Jahre und gerade in letzter Zeit wieder zunehmend der Ursprungsversion angenäherte Drama eines Lokomotivführers mit dem fatalen Namen Sisif, der ein Waisenkind bei einem Zugunglück rettet, das Mädchen mit seinem Sohn großzieht, sich jedoch bald in die junge Frau verlieben wird (wie auch der Sohn, der erst angesicht des vermeintlich geschwisterlichen Verhältnisses zögert), während die Frau eine wenig glückliche Beziehung eingehen wird... Es wird für fast alle bergab gehen im Laufe dieses Films, der zwar zum Ende wieder versöhnliche Züge annimmt, aber doch die Hauptfigur aus dem Leben treten lässt; in einer ergreifenden Parallelmontage – hier stirbt der Alte in Großaufnahme, da wird in einer Totalen getanzt... Gance nimmt mit seinem Film, so wie er schon die Avantgarde und die impressionistische Schule vorweggenommen hat, die russische Attraktionsmontage vorweg, bleibt aber erzählerisch im konventionellen Bereich, der bisweilen an Kolportage erinnert.
Im Oktober 2019 bei arte als restaurierte Sieben-Stunden-Version ausgestrahlt (Fassungseintrag von Eigensinn), liegt "La roue" in dieser Form inzwischen auch bei Pathé auf DVD vor.


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