Tulitikkutehtaan tyttö (1990)
Aki Kaurismäki ist mit Abstand der (im Ausland) bekannteste Filmemacher Finnlands - sieht man einmal von Renny Lauri Mauritz Harjola ab, der als Renny Harlin in Hollywood Karriere machte. Seine Filme gelten längst als Aushängeschild des finnischen Kinos - dafür sorgen oftmals die (spätestens seit Brechts Wendung vom zwei Sprachen schweigenden Finnen) berüchtigte Dialogarmut und die Zuneigung zur Populärkultur bei gleichzeitig dargebotenen Bildern spärlich bevölkerter, weiter Landschaften. Das mag als typisch finnisch gelten, aber die Filmsprache ist vor allem auch geprägt durch den Japaner Ozu und den Franzosen Bresson, die jeweils mit ihrem schlicht gehaltenen Stil großen Einfluss auf Kaurismäki hinterlassen haben, der im Hinblick auf die Farbdramaturgie auch durch Godard (und das durch diesen gefilterte klassische Hollywood) geprägt worden ist, mit dessen Star Jean-Pierre Léaud er seit 1990 dreimal zusammenarbeitete.
Der am 12. Januar 1990 uraufgeführte "Tulitikkutehtaan tyttö" ist Kaurismäki in Reinform: alles ist karg und trist, gelegentliche bunte Farben und Rockmusik blitzen in der Tristesse bloß kurz auf, können sie aber nicht überspielen und wirken eher schon wie reiner Hohn. Man schweigt oder spricht bloß wenig miteinander und trottet ziellos durch den immergleichen harten Arbeitsalltag, der mit sporadischen Besuchen des Tanzlokals aufgebrochen wird. Hauptfigur des Films ist Kaurismäkis Standard-Darstellerin Kati Outinen in der Rolle der Iris: sie arbeitet tagein-tagaus am Fließband einer Streichholzfabrik und daheim bei ihren Eltern setzt ihr zwischenmenschliche Kälte zu. Im Grunde ist es eine völlig entromantisierte Variation von Andersens Mädchen mit den Schwefelhölzern: der trostlose Arbeitsalltag, die Distanz der Eltern, das Erlebnis einer enttäuschten Hoffnung in Form einer sich als One Night Stand entpuppenden Affäre, aus der zu allem Überfluss eine ungewollte Schwangerschaft hervorgeht - alles führt unausweichlich in die Katastrophe, die sich in Form einer Rache an der verhassten Umgebung ereignet.
Die ausgesprochen durchdacht, aber völlig unspektakulär inszenierte, emotional distanzierte und mit lakonischem Humor ausgestattete Tragödie gewann bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin die Auszeichnung für den besten Film. Bei Alive/Pandora Film liegt die gesamte Proletarische Trilogie im Digipak vor: Fassungseintrag von Squalus
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