Simón del desierto (1965)
1929 zog ein lüsterner Wüstling neben Eselkadavern zwei Priester hinter sich her, 1930 nahm Jesus höchstselbst an der von de Sade beschriebenen viermonatigen Orgie in Sodom teil, 1956 nutzt ein Geistlicher im Dschungel ganz pragmatisch sein Brevier zum Feuermachen, 1961 kommen ein paar gierige Bettler zu einer infamen Parodie (nicht nur) des letzten Abendmahls zusammen, 1969 will sich Jesus den Bart abrasieren, 1972 erschießt ein Geistlicher einen reuigen Sünder auf dem Sterbebett und 1974 hocken ein paar rauchende und trinkende Priester beim gemeinsamen Kartenspiel zusammen. Bunuel hat sich mit seinen Filmen wahrlich nicht beliebt gemacht bei der Kirche: "L'age d'or" (1930) wurde nicht zuletzt wegen seiner antiklerikalen Momente verboten, "Viridiana" (1961) wurde vom Vatikan gar als schlimmste Attacke des Kinos überhaupt gewertet.
"Simón del desierto", die Geschichte eines Säulenheiligen, die Bunuel umsetzte, nachdem er ein Drehbuch nach M. G. Lewis' skandalöser gothic novel "The Monk" (1796) beiseite gelegt hatte, reiht sich gut ein in diese Reihe von Filmen, lässt aber - wie auch "Nazarin" (1958) oder "Viridiana" - erkennen, dass Bunuel bei aller Kritik an der Institution der Kirche und bei allem Spott für den Glauben an sich durchaus mit christlichen Werten liebäugelte. Bunuels Säulenheiliger wird nicht bloß als etwas prätentiöse, weltfremde Heiligenfigur dargeboten, sondern auch als Opfer seiner Mitmenschen - und darüber hinaus vom Darsteller Claudio Brook mit einer gewissen Würde versehen: gerade das erstaunliche Finale, das die Figur des Heiligen in einen Bezug zur damaligen Gegenwart setzt, macht die Hauptfigur durchaus zum Sympathieträger. "Simón del desierto" ist aber nicht bloß ein vorzügliches Beispiel für Bunuels ambivalente Haltung zum Christentum, sondern darüber hinaus der endgültige Abschluss seiner mexikanischen Phase: Bunuel, der - nach seinen frühen Jahren in Spanien und Frankreich - zu Beginn des Weltkriegs in Hollywood gelandet war, arbeitete zwischen "Gran Casino" (1947) und "Ensayo de un crimen" (1955) ausschließlich in Mexiko, um später hauptsächlich mexikanisch-französische Koproduktionen und einen französischen ("Le Journal d'une femme de chambre" (1964)) und einen spanischen ("Viridiana") Klassiker zu kreiieren. "Simón del desierto" war dann eine letzte rein mexikanische Arbeit: auf etliche Budget-Probleme, die zu Umarbeitungen des Drehbuchs und einer ungewöhnlich kurzen Laufzeit von 45½ Minuten führten, folgte dann - bis zu Bunuels Tod - seine wohl bekannteste Phase in Frankreich.
Während eine dt. DVD-Veröffentlichung des Films noch aussteht (obwohl es um Bunuel hierzulande inzwischen recht gut bestellt ist), liegt der Film immerhin bei Criterion vor: Fassungseintrag von savethegreenplanet
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