La Noire de... (1966)
Kein Kontinent ist im Hinblick auf seine Filmlandschaft jenseits seiner Grenzen so fremd geblieben wie Afrika. Das liegt zum einen daran, dass es in vielen afrikanischen Ländern erst mit später Verzögerung zu Filmproduktionen kam - während in den Ländern anderer Kontinente (mit vereinzelten Einschränkungen) die Jahrhundertwende als ungefährer Beginn einer Filmkultur betrachtet werden kann, da muss man in Afrika ein halbes Jahrhundert später ansetzen. Und selbst dann haben die geringe Anzahl an Kinos und das Fehlen von Kopierwerken & Schneidetischen die Entwicklung einer eigenen Filmkultur in den meisten Ländern erheblich behindert. Hinzu kommt, dass nur wenige engagierte Filme aus afrikanischen Ländern in fremdsprachigen Regionen vertrieben werden: In den letzten Jahren entstehen zwar beispielsweise unzählige eritreische Filme, die aber meistens nicht einmal ihren Weg in die IMDb finden...
In Nordafrika sah das noch ein wenig besser aus: Ägypten, dessen Filmlandschaft ohnehin eher der Filmlandschaft des Mittleren Ostens und der arabischen Länder zugerechnet wird, besitzt aufgrund des europäischen Einflusses im frühen 20. Jahrhundert seit Stummfilm-Zeiten eine hochentwickelte Filmindustrie samt Starsystem und Genre-Kategorien - wobei auch der ägyptische Film erst mit den Filmemachern eines neuen ägyptischen Kinos in den 60er Jahren weltweit Popularität erlangen kann und zuvor auf die arabische Welt beschränkt bleibt.
In Algerien entwickelt sich während des Algerienkriegs eine eigene Filmkultur, die zunehmend aus dem Schatten Frankreichs tritt, während in Tunesien und Marokko nur zögerlich die Produktionsmittel genutzt worden sind, die der französische Kolonialismus zurückgelassen hatte. In Marokko entstanden dann nach der erlangten Unabhängigkeit zunächst bloß (wie zuvor auch schon!) Filme in Koproduktion mit anderen Ländern, darunter Chabrols "Marie Chantal contre Dr. Kha" (1965) oder Pasolinis "Edipo re" (1967), ehe sich in den 70er Jahren Bemühungen um eine eigene Filmkultur beobachten ließen. Der tunesische Filmhistoriker Thar Chikhaoui machte vor einem knappen Jahrzehnt darauf aufmerksam, dass sich die Filmlandschaft des gesamten Maghreb aus der Politik und der Ideologie speise, wohingegen das ägyptische Kino längst im Wechsel mit Gesellschaft und Ökonomie fungiere.
Im subsaharischen Afrika wurde lange Zeit allenfalls die Landschaft von ausländischen Produktionen genutzt, ehe dann in den 50 Jahren dokumentarische, essayistische oder ethnologische Filmemacher - unter ihnen Chris Marker & Alain Resnais, René Vauthier und vor allem Jean Rouch - ein tiefergehendes Interesse an afrikanischen Kulturen an den Tag legen. Paulin Soumanou Vieyra, der ab Mitte der 50er Kurz- & Dokumentarfilme in Senegal zu drehen beginnt, zählt dann zu den ersten Pionieren eines afrikanischen Kinos, das aber erst im Laufe der Dekolonialisierung zu sich findet und in den 60er, 70er Jahren zur Blüte gelangt - und vor allem in Senegal recht umtriebig ist. Aber auch Vierya lernte an der Pariser Filmhochschule und drehte seinen ersten Film in Paris - da er als Afrikaner nicht in den Kolonien drehen durfte. In den 80ern sollte er unter Jean Rouch an der Sorbonne promovieren.
Zu Vieyras Freunden und Partnern zählte auch Ousmane Sembène, der noch vor international wahrgenommenen Vertreter(inn)n eines subsaharischen Kinos - wie Souleymane Cissé, Djibril Diop Mambety, Moustapha Alassane, Babacar Samb, Tidiane Aw, Abid Med Hondo, Mahama J. Traoré, Ferid Boughedir, Sarah Maldoror oder Samba Félix N'Diaye - einen großen Erfolg verbuchen konnte. Sembène war bereits über dreißig, als er sich 1956 als Schriftsteller zu betätigen begann. Wegen des hohen Analphabetentums reiste er zunächst nach Moskau, um dort unter Mark Semjonowitsch Donskoi das Filmemachen zu erlernen. Drei Kurzfilme inszenierte er dann ab 1963, ehe ihm sein erster Langfilm internationale Anerkennung verschaffte.
"La Noire de..." gelangte 1966 in die Kinos. Im Vorjahr war Sembène bereits ein hohes Maß an Aufmerksamkeit vergönnt, als er mit Jean Rouch eine Diskussion über afrikanische und europäische Filmemacher und den afrikanischen Film führte; reduziert wurde & wird diese Diskussion später auf den Vorwurf, Rouch schaue die Afrikaner an wie Insekten. Verschwiegen wurde meist, dass Sembène in dieser Diskussion Rouchs "Moi, Un Noir" (1957) - und Markers & Resnais antikolonialistischen Klassiker - überaus lobte. Nun, im Folgejahr, wurde dem Film eines afrikanischen Filmemachers über senegalesisch-französische Beziehungen größeres Interesse zuteil als den Filmen eines Rouch - und "La Noire de..." wurde sogar mit dem Prix Jean-Vigo ausgezeichnet.
Formal tritt der Film relativ zurückhaltend auf: eine schlichte, wenngleich teilweise mit starken Kontrasten arbeitende Ästhetik mit einfacher Dramaturgie; es bestechen der Voice-over-Einsatz und die gerade gegen Ende klar ersichtliche Symbolik. Aber wie in Sembènes späteren Filmen - von denen "Moolaadé" (2004), sein letztes Werk, am einfachsten erhältlich ist - ist es vor allem die scharf anklagende, politische Relevanz des Films, der die Bewunderung von Publikum & Kritik zumeist galt. (Das war auch bei "Ceddo" (1977) noch so, der mit seiner dominanten Filmmusik sicherlich der formal eigenwilligste Sembène sein dürfte...)
Worum es geht? Inhaltsangabe von PierrotLeFou
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