Edward II (1991)
Mit "Jubilee" (1977), einem Film über die zeitreisende Queen Elisabeth im Zeitalter des aufstrebenden Punks, und den Shakespeare-Filmen "The Tempest" (1979) und "The Angelic Conversation" (1985) hatte Derek Jarman seiner Vorliebe für das elisabethanische Zeitalter Ausdruck verliehen: Es waren gleich drei seiner ersten fünf Langfilme, zu denen noch "Sabastiane" (1976), sein homoerotischer Film über den Märtyrer Sebastian, und "In the Shadow of the Sun" (1980), eine experimentelle Montage seiner frühen Kurzfilme zu Throbbing Gristle-Klängen, zu zählen sind. Es folgte das für Jarman-Verhältnisse relativ konventionelle Biopic "Caravaggio" (1986), ehe Jarman sich mit "The Last of England" (1987) auf essayistische Werke verlegte, die sich vornehmlich auf das das Großbritannien des 20. Jahrhunderts konzentrierten und durch die vor allem das Gespenst der Thatcher-Ära geisterte: Das war der Fall in "The Last of England" und "The Garden" (1990), den Jarman auch als Reaktion auf die homophobe, repressive Section 28 drehte. Nahezu durch all seine Filme zog sich dabei auch das Thema der Homosexualität, das den schwulen Künstler in einer schwulenfeindlichen Gesellschaft bis an sein Lebensende beschäftigte.
Mit "Edward II", seinem am 3. September 1991 uraufgeführten Werk, setzt er nicht bloß einmal mehr die Probleme des Homosexuellen in Szene - nach dem Stück des selbst Männern zugeneigten Autors Christopher Marlowe über den mutmaßlich homosexuellen König Edward II -, sondern er kehrt auch wieder zum elisabethanischen Zeitalter (und seinem Theater) zurück. Wie schon im Zeitreise-Film "Jubilee", in "Caravaggio" und vor allem in all seinen essayistischen Filmen durchdringen sich allerdings die Zeiten in "Edward II", der Marlowes Stück folgt, einmal jedoch direkt das Jahr 1991 als Handlungszeit ausweist und immer wieder moderne Kleidung, Polizeiuniformen, elektrisches Licht, Hubschrauber und Spielzeug-Roboter & -Waffen mit den Accessoires der elisabethanischen Epoche vermengt. (Die Filme Peter Greenaways und Sally Potters "Orlando" (1992) stehen wie Julie Taymors "Titus" (1999) in dieser Hinsicht Jarmans Schaffen recht nahe, wenngleich Jarman auf eher karge, schlichte Bilder setzt.) Jarman knüpft somit an "The Garden" mit seiner Section 28-Kritik an und überträgt Marlowes Drama des schwulen Königs, der mit einer glühenden Eisenstange in seinem Rektum qualvoll enden wird, auf die homophobe Thatcher-Ära mit ihren Repressionen: Seine Muse Tilda Swinton, die hier die Gemahlin Edwards spielt, inszeniert er dann auch konsequent als eiskalte, eiserne Lady (die bisweilen gar vampirische Züge trägt). Zugleich weist "Edward II" aber auch schon voraus auf Jarmans nächsten Film "Wittgenstein" (1993), in welchem er erneut das ein halbes Jahrzehnt nicht mehr genutzte Format des Spielfilms nutzte, um vom Leiden eines Homosexuellen zu berichten, der sich diesmal die Repressionen seiner Gesellschaft zu eigen macht. Neben "Caravaggio" ist "Edward II" dabei sicherlich Jarmans zugänglichster Film geworden, wenngleich man bereit sein muss, sich mit einem recht hohen Maß an Theatralik zu arrangieren.
Bei dem auf schwul-lesbisches Kino spezialisierten Label Salzgeber & Co. ist dieser nicht gerade massentaugliche Klassiker hierzulande dankenswerterweise schon seit einigen Jahren gut greifbar: Fassungseintrag von chowyunfat2
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