O slavnosti a hostech (1966)
Der in diesem Jahr 79jährig verstorbene Jan Němec galt früh als eine der großen Hoffnungen des tschechoslowakischen Films: nachdem er sich an der FAMU zum Cineasten entwickelt hatte, avancierte er mit seinem ersten Langspielfilm - dem 63minütigen "Démanty noci" (1964) - zu einem der vielversprechendsten Autorenfilmer seines Landes. Dass er neben Vera Chytilová, Jaromil Jires, Jirí Menzel und Evald Schorm – seinen einstigen Kommilitonen & Freunden – für den Episodenfilm "Perlicky na dne" (1965) einen Kurzfilm beisteuerte, untermauerte diesen Status noch. Doch sein größter künstlerischer Erfolg – zugleich einer der wichtigsten Filme der tschechoslowakischen Neuen Welle – wurde sein zweiter Langspielfilm, welcher zugleich N?mecs Karriere mehr oder weniger ruinierte: "O slavnosti a hostech".
"O slavnosti a hostech" wurde 1966 fertiggestellt und war am 30. Dezember des Jahres für kurze Zeit zu sehen, um sogleich verboten zu werden; trotz des schnellen Verbotes soll der Film unter Kritikern bereits einen guten Ruf genossen haben, ehe er dann 1968 – als Alexander Dubček Antonín Novotnýs Nachfolge als Sekretär der KPČ antrat! – endlich ganz regulär in die Kinos gelangte und auf wichtigen internationalen Festivals die Runde machte. Doch mit dem Ende des Prager Frühlings hatten es Film & Filmemacher wieder schwerer: Nach 1968 fand sich Němec auf der schwarzen Liste wieder, konnte keine Filme mehr drehen und musste 1969 seinen Reisepass abgeben; erst 1974 konnte er die Tschechoslowakei verlassen, um im Ausland kleine (TV-)Filme zu drehen – darunter die Kafka-Verfilmung "Die Verwandlung" (1975) – und erst Ende 1989 in die Tschechoslowakei zurückzukehren. Und "O slavnosti a hostech" wurde 1973 schließlich verboten und als einer der subversivsten Filme der Neuen Welle verschmäht: Zwanzig Jahre war er in der Tschechoslowakei nicht mehr zu sehen. Die – von Němecs Muse Ester Krumbachová geschriebene – Parabel auf Massenbewegungen und Unterdrückung, die eine Picknick-Gesellschaft an zwei Herren geraten lässt, welche einmal aggressiv, einmal schmeichlerisch die Personen nach ihrer Pfeife tanzen lassen wollen und schließlich zur Hetzjagd auf denjegen, der sich ihnen entziehen will (und von Evald Schorm gespielt wird), anstiften, weist einige Parallelen zu Buñuels "El Ángel exterminador" (1962) auf, den Němec – gleichwohl großer Buñuel-Bewunderer! – zu jener Zeit aber nur vom Hörensagen kannte. Größeren Einfluss als Buñuel mit seinem Surrealismus und seinem absurden Humor hatte dagegen das absurde Theater (das unter anderem Václav Havel in der Tschechoslowakei bediente); und natürlich Franz Kafka, dessen Erzählungen beklemmende Ohnmacht und absurden Humor miteinander verbinden. Und beklemmende Ohnmacht ist auch in "O slavnosti a hostech" gegenwärtig.
Bei Second Run liegt dieser eigenwillige Klassiker der tschechoslowakischen Neuen Welle auf einer gewohnt informativ angereicherten DVD vor: Fassungseintrag von PierrotLeFou
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