Esta Noite Encarnarei no Teu Cadaver (1967)
José Mojica Marins ist (noch vor Ivan Cardoso) der mit Abstand bekannteste Horrorfilmer Brasiliens. Seine Kunstfigur Zé do Caixão gehört zweifelsohne zu den großen Ikonen des modernen Horrorfilms im Weltkino. Leben eingehaucht hatte er ihr in "À Meia-Noite Levarei Sua Alma" (1964): Ein für seine Zeit erstaunlich gewalttätiger Film, in welchem Marins in der Hauptrolle den charismatischen Zé do Caixão mimt. (Der Regisseur war fraglos der richtige Mann für diese Rolle: Auch als Finis Hominis in den Filmen "Finis Hominis" (1971) & "Quando os Deuses Adormecem" (1972), sowie als Fakir Ali Khan in Maurice Capovilas "O Profeta da Fome" (1970) stellte er sein hypnotisches, exzentrisch-gebieterisches Charisma unter Beweis.) Mit dem dichten, schwarzen Bart, den zusammengewachsenen Brauen, dem Zylinder, den schwarzen Gewändern und den ungeheuerlich langen Fingernägeln gibt er eine eindrucksvolle Erscheinung ab, die sich zudem als blasphemischer & gewissenloser Nihilist, als sadistischer Machtmensch erweist und im Laufe des Films über Leichen geht, um nach einer Frau zu suchen, die ihm einen Nachkommen gebiert. In knapp 10 Filmen kehrte Marins zumeist unter eigener Regie bis Anfang der 80er Jahre und ab 2006 wieder in dieser Rolle zurück, wenngleich die jeweiligen Streifen kaum jemals direkten Bezug aufeinander nehmen und keine kohärente Filmreihe ergeben. Seit "O Ritual dos Sádicos" (1970) tritt Marins zumeist auch in einer Doppelrolle als er selbst und als Zé do Caixão auf, wobei die Kunstfigur zu einer Art Schreckgespenst geworden ist, das in der Imagination gepeinigter Seelen über ebendiese herfällt: Während "Delírios de um Anormal" (1978) nichts weiter als eine Resteverwertung nicht verwendeten Materials darstellt, hat Marins mit "O Exorcismo Negro" (1974) einen der interessantesten Beiträge seiner Filmreihe geschaffen, in welchem er in der Rolle des Regisseurs erleben muss, wie seine unheilvolle Schöpfung ihren Weg in die reale Welt findet: Wes Cravens "New Nightmare" (1994) wiederholt diesen Kniff später, wobei Cravens Traumdämon Freddy Kruger ganz grundsätzlich einiges mit Marins' Schöpfung gemeinsam hat.
Eine Art zusammenhängende Trilogie bildet "À Meia-Noite Levarei Sua Alma" aber mit den Filmen "Esta Noite Encarnarei no Teu Cadaver" und "Encarnação do Demônio" (2008), welcher als später nostalgischer Wiedereinstieg arg anachronistisch anmutet, Stilwillen und Sadismen allerdings gehörig steigert (und dennoch der schwächste Film der Reihe bleibt)...
Der am 13. März 1967 uraufgeführte "Esta Noite Encarnarei no Teu Cadaver", der vielen Fans als der Zé do Caixão-Beitrag schlechthin gilt, knüpft nahtlos an seinen Vorgänger an: Was dort im Finale die Rache der gemordeten Opfer an Zé do Caixão zu sein schien, wird nun als Halluzination des charismatischen Unmenschen ausgewiesen, der alle Ereignisse mit einem schweren Schock überlebt hat. Zé do Caixão ist hier - noch stärker als im Original - auch ein Opfer seiner gepeinigten Psyche; er ist nicht durchweg bösartig, sondern ein getriebener Fanatiker, der allerdings durchaus auch sein Leben einsetzt, um Kindern aus Notsituationen zu helfen. Zé do Caixão ist Opfer und Prediger einer Unmoral - eine Art irrsinniger Sektierer, der im Laufe des Films sein verbrecherisches Treiben aus dem Vorgänger wiederholt. Doch in diesem ersten Sequel fällt alles etwas größer aus: Mit seinen 110 Minuten ist der Film erheblich länger als der Vorgänger, die Sadismen & Perversitäten werden etwas mehr ausgespielt, der Hauptfigur steht ein buckliges Faktotum beiseite und aus den s/w-Farbumkehrungen der Alptraumszenen des Originals wird hier eine farbige, grell-psychedelische Höllenfahrt... Der experimentelle Vorspann und vereinzelte Glanzstücke stellen auch ein verfeinertes inszenatorisches Geschick unter Beweis, wenngleich Marins im Laufe seiner Karriere stets ein eher grobschlächtiger Regisseur blieb, der ohne sein Spiel mit der Perversion, sein Brechen mit den Tabus kaum jemals Interesse hätte erwecken können: Bezeichnenderweise sind seine Abenteuerfilme, Western und Komödien weitestgehend unbekannt geblieben.
Mehr? Review von Randolph C.
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