Antigone des Sophokles nach der Hölderlinschen Übertragung für die Bühne bearbeitet von Brecht 1948 (1992)
Schon ihr zweiter Film, "Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht" (1965), ist bereits seinem Titel nach ein sperriges Werk. Mit Titeln wie "Les yeux ne veulent pas en tout temps se fermer, ou Peut-être qu'un jour Rome se permettra de choisir à son tour" (1970), "Einleitung zu Arnold Schoenbergs Begleitmusik zu einer Lichtspielscene" (1973) oder "Der Tod des Empedokles, Trauerspiel in zwei Akten von Friedrich Hölderlin 1798 - oder: wenn dann der Erde Grün von neuem euch erglänzt" (1987) setzten Jean-Marie Straub und seine Partnerin Danièle Huillet – die französischstämmigen Radikalen des Neuen Deutschen Films – diese Linie dann fort. Durchaus anstrengende Filme, die eine Menge Konzentration fordern – und dies schon im Titel wissen lassen...
"Antigone des Sophokles nach der Hölderlinschen Übertragung für die Bühne bearbeitet von Brecht 1948", der am 2. September 1992 in Frankreich uraufgeführt worden war, hat mit "Der Tod des Empedokles, Trauerspiel in zwei Akten von Friedrich Hölderlin 1798 - oder: wenn dann der Erde Grün von neuem euch erglänzt" einiges gemeinsam. Beide Filme sind quasi – wie auch schon "Les yeux ne veulent pas en tout temps se fermer, ou Peut-être qu'un jour Rome se permettra de choisir à son tour", "Geschichtsunterricht" (1973) und "Moses und Aaron" (1974) – minimalistische Ausstattungsfilme: Kostümierte Darsteller(innen) stehen meist unbeweglich in der Landschaft und zitieren auf eher emotionslose Weise ihre Zeilen. Dank einiger Schwenks und der Musik Schoenbergs hatte ein "Moses und Aaron" bei aller Statik und Distanziertheit noch einige packende, ergreifende Momente inmitten des radikalen Minimalismus aufzuweisen. In ihrem Empedokles-Film nahmen Minimalismus und Distanziertheit hingegen deutlich zu – und der Antigone-Film schlägt in dieselbe Kerbe und wirkt vielleicht sogar noch ein Stückchen statischer. Im Rahmen einer Filmkunst, die auf lange statische Einstellungen setzt, zelebrieren Straub & Huillet die Kunst des Theaters, das eine schon im Titel eingestandene Nähe zu Brecht aufweist. Der abwertende Vorwurf, dass das Regie-Duo unfilmische Filme drehen würde, macht es sich allerdings zu einfach: Zwar bestehen alle entscheidenden Taten im Sprechen, zwar werden alle wichtigen Handlungen eher angesprochen als ausgeführt, zwar bleiben Kameraarbeit und Montage ausgesprochen zurückhaltend, aber diese minimalistische Darbietung des Theatralischen ist dennoch eine genuin filmische; diese Sophokles-/Hölderlin-/Brecht-Verfilmung fragmentiert immerhin die Ganzheit des Stückes in verschiedene Einstellungsgrößen und Perspektiven; auch fehlt ihm notgedrungen die vielbeschworene Gegenwärtigkeit des Theaters, die im Medium des Films lediglich vorgegaukelt werden kann.
Als bisweilen parodistisch anmutende Verfilmung, die Brecht folgt, aber an stimmigen Originalschauplätzen gedreht wurde, ist "Antigone des Sophokles nach der Hölderlinschen Übertragung für die Bühne bearbeitet von Brecht 1948" vor allem auch ein Film über die literaturhistorischen Stationen eines populären Stoffes. Und somit ist der Streifen zwar ganz bestimmt kein unfilmischer Film, aber doch ein Film für Literatur- & Theaterfreunde, was die Abneigung eines größeren Publikums erklären mag. Film 101 bietet das Werk auf DVD an, wobei das kurze, wenngleich interessante Booklet ein lohnenswertes Interview mit Leo Kreutzer bietet: Fassungseintrag von PierrotLeFou
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