Der Doppelselbstmord (1917/18)
Das Regie-Duo & Ehepaar Jacob Fleck und Luise Fleck - welche neben Lois Weber als eine der frühesten Regisseurinnen nach Alice Guy gilt - hatte sich schon Anfang der 10er Jahre mit Literaturverfilmungen verdient gemacht: Ihr "Hoffmanns Erzählungen" (1911) ist die erste Verfilmung der Offenbach-Oper, "Trilby" (1912) & "Svengali" (1914) stellen frühe Verfilmungen nach George du Mauriers populären Roman dar, den Possen von Leopold Krenn & Paul Lindau widmeten sie sich mit "Die Landstreicher" (1916), "Der König amüsiert sich" (1918) basiert auf Victor Hugo, "Lumpazivagabundus" (1919) auf Johann Nestroys Stück, "Die Jüdin" (1918) auf einem Libretto von Eugène Scribe, "Die Ahnfrau" (1919) auf Grillparzer... und immer wieder greifen sie auf Ludwig Anzengruber zurück: so im Fall von "Der Meineidbauer" (1915), "Der Schandfleck" (1917) oder "Der Doppelselbstmord".
Diese Anzengruber-Posse wurde von dessen Sohn Karl Anzengruber für die Leinwand adaptiert und mit ihrerzeit populären Gesichtern besetzt: Die 1895 geborene und erst 2000 verstorbene Liane Haid, die 1969 das Filmband in Gold erhielt, ist hier in einer ihrer frühen Rollen zu sehen, hatte zu dieser Zeit aber bereits in knapp zehn weiteren Fleck-Filmen gespielt und sich dem Publikum einbrennen können. Ähnliches gilt für die älteren und als Bühnendarsteller bereits äußerst erfolgreichen Schauspieler Karl Baumgartner und Hans Rhoden, die 1915 bzw. 1913 zum Film kamen. Der ebenfalls als Theaterschauspieler berühmte Karl Ehmann begann hingegen eine wirkliche Leinwand-Karriere erst kurz zuvor im Jahr 1917 (nachdem er 1911 schon einmal in einem Film mitgewirkt hatte). Sie alle geben mit sichtlicher Freude am Spiel die Posse vom Doppelselbstmord zum Besten: Zur Belustigung werden in ihr die Kinder zweier verstrittener Väter miteinander verkuppelt; Poldl, der Sohn eines vermögenden Bauern, und Agerl, die Tochter eines Kleinbauern. Und weil ihre Väter einer Verbindung im Wege stehen, kommt ihnen eine Zeitungsmeldung vermehrter Doppelselbstmorde aus unglücklicher Liebe gerade recht. Flugs verschwindet man und täuscht den eigenen Liebestod vor, um den Vätern eine Lektion zu erteilen. Anschließend steht einer glücklichen Ehe nichts mehr im Wege.
Erschienen ist der Film schon in seinem Produktionsjahr 1917: allerdings bloß in einer sogenannten, einzelnen Separatvorführung im Phönix-Kino in Wien. Davon zeugt eine Besprechung in der Neuen Kino-Rundschau, die erfreulicherweise auf der Seite der Österreichischen Nationalbibliothek einsehbar ist. Diese Separatvorführungen scheinen jedoch bloß der Presse und einem geschlossenen Kreis von ausgewählten Zuschauern zugänglich gewesen zu sein. (In der Bühnengeschichte wurden Separatvorführungen zumindest für einzelne Sondergäste in geschlossener Gesellschaft gegeben, etwa für Ludwig II. Aber auch Dziga Vertov hatte beispielsweise in Berlin eigene Filme in Separatvorführungen nur im Rahmen einer geschlossenen Gesellschaft in Hotels präsentiert, ehe sie regulär zu sehen waren. Gleiches gilt erst recht für die sogenannten Separatvorführungen, welche von und für Arbeiterbewegungen oder Wissenschaftsexperten organisiert worden waren.) Zur regulären Kinoauswertung kam es jedenfalls erst am 25. Januar 1918 im österreichischen Raum. In deutschen Gefilden kam der Film gar erst im September 1918 heraus: von ursprünglich etwa 1400-1900 Metern auf 1070 Meter gekürzt. Es wundert daher nicht, dass die von einigen Sprüngen durchzogene, bloß noch 24minütige Fassung, welche in der Edition Der österreichische Film des Standards vorliegt (Fassungseintrag von dvdeus), dem ohnehin recht vitalen Lustspiel zusätzliche Beschwingtheit verleiht, wenn sich diese auch auf den nachvollziehbaren Fluss der Dramaturgie minimal auswirkt. Wer an frühen Lustspielen und Heimatfilm-Vorläufern interessiert ist, sollte sich vom etwas fragmentarischen Zustand des Films aber nicht schrecken lassen: Das Lokalkolorit verleiht diesem Stummfilm einen ganz eigenen Charme und gleicht die im Detail leicht sprunghafte Form durchaus aus...
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