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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Die Erotik des Vampirismus (Rollins erster Langfilm)

Stichwörter: 1960er Erotik Frankreich Horror Jubiläum Klassiker Kurzfilm Phantastik Rollin Spielfilm

Le viol du vampire (1968)

Jean Rollin, Sohn eines Schauspielers, noch im Kindesalter durch seine Mutter persönlich mit Georges Bataille bekannt geworden, als Jugendlicher erste Assistenzarbeiten im Filmgeschäft verrichtend und Kontakte zu Claude Lelouch und Margerite Duras knüfend: Die Sterne standen gut für ihn - und dennoch benötigt er nach einer ersten (Kurzfilm-)Regiearbeit im Jahre 1958 zehn weitere Jahre, in denen um ihn herum die Nouvelle Vague blüht und allmählich wieder abklingt, bis er seinen ersten Langfilm vorlegen kann.
Zwischendurch entstanden weitere Kurz- und Dokumentarfilme - und als Kurzfilm hatte auch sein erster Langfilm begonnen, der im Grunde aus zwei zusammenmontierten Werken besteht. Ursprünglich - und auf Vorschlag des Kinobesitzers Jean Lavie - als Vorfilm für den bereits etwas betagten Horrorfilm "Dead Men Walk" (1943) geplant, wurde der 1967 ausgesprochen kostengünstig fabrizierte "Le viol du vampire" über ein zweites Kapitel ("Le femmes vampires") schließlich zu einem Langfilm ausgebaut. Und dieser enthielt schon so ziemlich alles, was man später von Rollin gewohnt sein durfte: Nacktheit, Erotik, mild sadomasochistische Elemente, surreale Details, Verweise auf Abel Gance, Louis Feuillade, Georges Franju einerseits, auf Clovis Trouille oder Max Ernst andererseits, Vampirismus - und natürlich den Strand von Pourville-lès-Dieppe: Rollins Lieblingsstrand und Rollin-Fans hinlänglich vertraut.
Als der Film mitten im Pariser Mai - am 27.05.1968 - unter anderem im Pariser Midi Minuit-Kino Lavies seine Uraufführung erlebte, löste der Streifen zunächst vor allem Unverständnis und wütenden Protest aus. Zwar hatte der renommierte, während der Nouvelle Vague allerdings etwas in die Kritik geratene Roger Vadim, einer der Meister des erotischen Kinos, mit der Sheridan Le Fanu-Verfilmung "Et mourir de plaisir" (1960) die Erotik der bisherigen Hammer-Vampirfilme erheblich übertroffen – zehn Jahre bevor Hammer ebenfalls mit der Karnstein-Trilogie auf Le Fanus dezent lesbische Vampirin Carmilla rekurrieren sollte! –, doch Rollin war 1968 in den Augen der konservativeren Zuschauer eindeutig zu weit gegangen: schon sein erster Langfilm war quasi eine Revolte; spätere Werke bestätigten diese Ausrichtung mehr und mehr. Freizügigkeit und Grausamkeit des Films schienen damals noch zu geschmacklos direkt zu sein; die Zweiteilung des Films - welche es ermöglicht hatte, den Film als zwei Kurzfilme ein wenig am Interesse der Zensoren vorbeizuschmuggeln – wirkte auf das Publikum konfus und das geringe Budget tat ein übriges... Dennoch lief der Film - aufgrund der Proteste, Demonstrationen und Ausschreitungen im Pariser Mai – recht konkurrenzarm, was Fluch und Segen zugleich war. Segen, weil es kommerziellen Erfolg brachte, Fluch, weil er auch von jenen betrachtet worden war, für die er im Grunde nicht geschaffen war: für jene, die sich empörten und den Film mit ihren Urteilen zerrissen.
Davon ließ sich Rollin jedoch glücklicherweise nur kurzzeitig beeindrucken. Es folgten neben weniger beliebten/bekannten Titeln unter anderem "La Vampire Nue" (1970), "Le frisson des Vampires" (1971), "Requiem pour un Vampire" (1971), "Les démoniaques" (1973), "La rose de fer" (1973), "Lèvres de sang" (1975), "Les raisins de la mort" (1978), "Fascination" (1979), "La nuit des traquées" (1980), "Les echapees" (1980), "La morte vivante" (1982), "Perdues dans New York" (1989), "Les deux orphelines vampires" (1997), "La fiancée de Dracula" (2002), "La nuit des horloges" (2007) und "Le masque de la Méduse" (2010). In den schönsten Momenten surreal-sinnliche, irrational-traumhafte Phantasmen, versponnen, voller Zitate von Feuillade, Gance und Lang über Franju und Bunuel bis hin zu Rivette, verweisend auf Delvaux, Magritte, Ernst, Trouille... immer gegen die üblichen Spielregeln des Spielfilms revoltierend, aber nie lärmend und tosend, sondern leise, sanft lächelnd, ironisch... In den 90ern öffnete sich Rollin schließlich auch mehr und mehr Versatzstücken des freier flottierenden Essayfilms. Im November würde Rollin 80 Jahre alt werden: Doch Ende 2010 erlag er dem Krebs - 72jährig - und hinterließ im selben Jahr seinen letzten Film. Zwischen ihm und Rollins Langfilmdebüt liegen mehr als vier Jahrzehnte, die Rollin mit seiner eigentümlichen Kinomagie gefüllt hat, welche sich neben dem Schaffen von Erotomanen wie Borowczyk, Benazeraf, Jess Franco oder Radley Metzger keinesfalls verstecken muss.
Worum es geht, verrät sid.vicious in seinem Review. Erhältlich ist der Film auf DVD in der empfehlenswerten Rollin Collector's Edition vom niederländischen Label encore (Fassungseintrag von Cyriaxx) oder auch auf BluRay bei Redemption (Fassungseintrag von krakrax).


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