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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Vernachlässigtes Epos von Shôhei Imamura

Stichwörter: 1960er Drama Hasebe Imamura Japan Jubiläum Klassiker Mayuzumi Nuberu-bagu Spielfilm

Kamigami no fukaki yokubô (1968)

Farbfilm, dreistündige Laufzeit, 18monatige Produktionszeit – nachdem 6 Monate geplant waren –, prachtvolle Settings, ein effektiver, avantgardistisch anmutender Soundtrack von Toshirô Mayuzumi und ein beträchtlich überzogenes Budget: Und dennoch ist der am 22. November 1968 uraufgeführte Mammutfilm von Imamura nicht bloß seinerzeit böse gefloppt (und konnte als japanischer Anwärter für den 1970er Oscar nicht einmal eine Nominierung verbuchen), sondern bis heute eines seiner nicht gerade bekanntesten Werke geblieben. "Nippon konchuki" (1963, Das Insektenweib), "Akai satsui" (1964, Verbotene Leidenschaft) und "Jinruigaku nyumon" (1966, Einführung in die Menschenkunde) sind aus seinem Frühwerk weit bekannter, im Spätwerk stoßen "Fukushû suru wa wareniari" (1979, Vengeance Is Mine), "Narayama bushiko" (1983, Die Ballade von Narayama), "Kuroi ame" (1989, Schwarzer Regen), "Unagi" (1997, Der Aal), "Kanzo sensei" (1998, Dr. Akagi) und "Akai hashi no shita no nurui mizu" (2001, Wasserspiele) auf weit größere Aufmerksamkeit.
Tatsächlich aber ist "Kamigami no fukaki yokubô" weit mehr als jener Flop, der Imamura für zehn Jahre in den Dokumentarfilm-Sektor verdrängte, weit mehr als einer der eigenwilligsten Okinawa-Filme, weit mehr als bloß Imamuras erster Farbfilm oder ein kurios spektakuläres Mammut-Epos der Nuberu bagu – nämlich einer der ambitioniertesten Filme Imamuras, der hier einmal mehr mit Keiji Hasebe am Drehbuch schrieb. Zwischen naturalistischen Landschaftsaufnahmen und artifizieller Beleuchtung, zwischen dem realen Okinawa und der Fantasieprodukt-Insel Kurage, zwischen Coca Cola und Götterglauben, zwischen dem Wässrig-Formlosen und dem Fest-Geordneten oszilliert die episodisch anmutende Geschichte eines Ingenieurs, der aus beruflichen Gründen auf die abgelegene Insel Kurage gelangt, wo ein etwas archaischeres, irrationaleres, primitiveres Leben nach ganz eigenen Traditionen geführt wird – wobei eine Sippe, die Futoris, sogar den nur den Göttern genehmigten Tabubruch des Inzests begeht, welcher als Akt zwischen einem göttlichen Geschwisterpaar einst die Insel erschaffen hatte. So konfrontiert Imamura grundverschiedene Lebenskonzepte (zu denen man womöglich gar noch die vollends animalische Existenz der Tierwelt zählen könnte, der hier viel Raum gegeben wird), um mit einem gewalttätigen Finale zu enden, mit welchem die üblichen Wertungen zivilisatorischer Stufen ins Wanken geraten, zumal die Moderne vor allem über den Kapitalismus und den Vietnam-Krieg in Erscheinung tritt.
Als Dual Format Edition liegt der Film in Eurekas Reihe Masters of Cinema vor: Fassungseintrag von Phileas


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