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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Bulgarischer Historienfilm-Klassiker

Stichwörter: 1960er Bulgarien Christov Dinov Drama Historienfilm Jubiläum Klassiker Literaturverfilmung Spielfilm Talev

Ikonostasat (1969)

Rangel Vulchanovs "Slantzeto i syankata" (1962), Dimiter Petrovs "Kapitanat" (1963), Vulo Radevs "Kradetzat na praskovi" (1964) oder Grisha Ostrovskis "Otklonenie" (1967) sicherten dem bulgarischen Film in den 60er Jahren eine zuvor nicht gekannte internationale Aufmerksamkeit, wenngleich Bulgarien unter den südosteuropäischen Ländern noch immer etwas stiefmütterlich behandelt worden war. Das mag auch damit zusammenhängen, dass der bulgarische Film zwar bis in die frühe Stummfilmzeite der 10er Jahre zurückreicht, aber erst in den 50er Jahren eine halbwegs kontinuierliche Filmproduktion aufweisen konnte: Die IMDb listet aus den vorangegangenen Jahrzehnten keine 100 bulgarischen Titel. Die Anzahl der Langspielfilme kommt nicht einmal auf 50 Titel, d.h.: der bulgarische Film war rein quantitativ nahezu gar nicht präsent. In den 60ern setzte sich der in den 50er Jahren begonnene Anstieg fort, hinzu kamen die vereinzelten Erfolge bei der in- und ausländischen Kritik. In den 70er Jahren sollte der somit gestärkte bulgarische Film nochmals einen deutlichen Aufschwung erleben, der auch mit neuen Regiegrößen hinter der Kamera zusammenhing, mit deren Erscheinen man spätestens von einer neuen Welle im bulgarischen Film sprechen kann.
Zu diesen neuen Persönlichkeiten gehörte auch Christo Christov, der als Debütant mit dem Animationskünstler Todor Dinov einen der größten Erfolge des bulgarischen Kinos ablieferte: den am 31. Januar 1969 uraufgeführten, bildgewaltigen "Ikonostasat", der frei auf dem Roman "Der eiserne Leuchter" (1952), dem ersten Teil einer von Tolstois Hauptwerk inspirierten Tetralogie des 1966 verstorbenen Schriftstellers Dimitar Talev, basiert (und Elemente des zweiten Teils ebenfalls berücksichtigen sollte). "Ikonostasat" galt bald als bulgarische Antwort auf Tarkovskys "Andrei Rublyov" (1966/69) und widmet sich dem Leben eines Holzschnitzers und Ikonenmalers im 19. Jahrhundert, der in den Bereichen der Liebe, der Religion und der Kunst an den gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten scheitert, während er an der Herstellung einer Altarwand arbeitet: an der türkischen Verwaltung, an der bulgarisch-orthodoxen Kirche; die Position des Künstlers in "Ikonostasat" hatten die Regisseure dabei auch als Metapher auf die Gegenwart angelegt.
Obgleich seinerzeit international beachtet, vielfach ausgezeichnet und später bloß noch von Metodi Andonovs "Kozijat rog" (1971) an Popularität übetroffen, ist "Ikonostasat" mittlerweile weitgehend in Vergessenheit geraten und wird allenfalls noch in Filmgeschichtsschreibungen berücksichtigt, die sich ausdrücklich Bulgarien oder dem einstigen Ostblock widmen. Ein Schicksal, das der inhaltlich ambitionierte und formal beachtliche Klassiker nicht verdient hat: die ausgesprochen schlechte Zugänglichkeit dürfte leider dazu beitragen, dass sich so schnell nichts daran ändern wird.


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