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von PierrotLeFou

Vor 50 Jahren: Kinodebüt einer Theater-Legende

Stichwörter: 1960er Deutschland Jubiläum Klassiker Komödie Literaturverfilmung Neuer-Deutscher-Film Politischer Film Richter Satire Spielfilm Valentin Zadek

Ich bin ein Elefant, Madame (1969)

Peter Zadek, in den 70er & 80er Jahren Theater-Intendant an den Schauspielhäusern in Bochum und Hamburg, galt seinerzeit als einer der Großen seiner Kunst: Was Godard für das Kino sei, sei Zadek für das Theater – so konnte man es gelegentlich lesen. Sieht man Fotos seiner Bühnenbilder, etwa der 1966er-"Räuber"-Aufführung mit Edith Clever und dem kürzlich verstorbenen Bruno Ganz, kann man nachvollziehen, wie es dazu kam: Die Nähe zur Pop-Art und zum Comicstrip konterkarierte und kontextualisierte Schillers Stück auf eigenwillige, womöglich bereits als postmodern zu begreifende Weise. Auch Antisemitismus-Vorwürfe teilte sich Zadek mit Godard... Vielfach arbeitete Zadek, der seit 1947 bis zu seinem Tod im Jahre 2009 als Theater-Regisseur tätig war und seinen ersten Skandal bereits 1957 mit einer Genet-Verfilmung auslöste, auch für das Fernsehen. Unter seinen TV-Filmen befand sich "Die Unberatenen" (1966) nach dem gleichnamigen Romanvon Thomas Valentin, den Zadek auch im Theater umgesetzt hatte. Es ist die Geschichte einer Revolte von Schülern – und Zadek beginnt mit der Inszenierung seines ersten Kinofilms 1968, als (nicht nur) die weltweite Studentenbewegung ihren Höhepunkt erreicht hatte.
Sein am 6. März 1969 uraufgeführter gibt sich ausgesprochen modisch: "Lou Reed & The Velvet Underground [] Andy Warhol" klärt eine Texttafel ziemlich früh über die Filmmusik auf, derweil eine Hauptfigur ihr Zimmer mit Farbpistole rot färbt, die Totale einer monotonen Häuserfassade mit zahlreichen Fenstern den neuen Wohraum im modernen Stadtbild einfängt und autoritäre Lehrer ihre jungen Schüler(innen) befragen, die sich gelegentlich kollektiv zum Takt der Musik melden... Standbilder, Reklamebilder, Schriftzüge über dem Filmbild, dokumentarische Interviewsequenzen in s/w, Nacktheit & Sexualität... Und am Ende ertönt eine Coverversion von Freddy Quinns "Wir", während "Deutschland muss leben, auch wenn wir sterben müssen"-Denkmäler und Dokumentaraufnahmen von Nixon, dem KKK oder Weltkriegsszenen höchst ironisch montiert neben wiederholten Filmszenen der Schülerrevolte ablaufen. (Freddy Quinn selbst mochte sich, obgleich von Zadek angefragt, für diese Filmproduktion freilich nicht zur Verfügung stellen...) Dass Zadek jedoch nicht bloß die Autoritäten der Lächerlichkeit preis gibt, sondern auch unter den revoltierenden Jugendlichen (darunter: Ilja Richter) Uneinigkeit schafft – spätestens als zur Provokation von einem Revoluzzer ein Hakenkreuz an die Fassade eines öffentlichen Raums geschmiert wird – nahm man ihm teilweise übel. Dabei diskutiert der Film seine eigenen Ansätze gegen Ende sogar ausgesprochen selbstreflexiv und transparent... dennoch: Sowohl unter den Konservativen, als auch unter den Anhänger(innen) der 68er-Bewegung, als auch unter Zadeks-Theaterarbeits-Liebhabern fanden sich Kritiker, welche mit "Ich bin ein Elefant, Madame" wenig anzufangen wussten. Und dennoch entwickelte sich der Film als einer der irrsinnigsten, wildesten Vertreter des Neuen Deutschen Films zu einem Kultklassiker, der ein spannendes Zeitbild abgibt: nicht bloß, weil er in seiner langen dokumentarischen Sequenz eine so spannende & aufgeheizte wie exemplarische Diskussion unter gewöhnlichen Leuten im öffentlichen Raum bietet, die man fast schon als Herzstück des Films bezeichnen könnte.
Erhältlich war der Film auf DVD bei Arthaus (Fassungseintrag von (rod).), welche später auch bei Zweitausendeins neu aufgelegt worden ist. Beide Fassungen sind jedoch längst vergriffen und meist bloß für üppige Summen gebraucht zu erwerben.


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