Beitrag

von PierrotLeFou

Vor 25 Jahren: Atom Egoyans publikumswirksame Übergangsphase

Stichwörter: 1990er Drama Egoyan Erotik Jubiläum Kanada Klassiker Spielfilm

Exotica (1994)

In den letzten Jahren sahen sich auch langjährige Egoyan-Bewunderer genötigt, dem kanadisch-armenischen Regie-Maestro einen qualitativen Abstieg zu attestieren: "The Captive" (2014), "Devil's Knot" (2013), "Chloe" (2009), "Adoration" (2008) oder "Where the Truth Lies" (2005) ernteten kaum noch Lobeshymnen und wurden teilweise (nicht ganz zu unrecht) harsch für einen immer ungebrocheneren Voyeurismus attackiert.
Begonnen hatte Egoyan mit formal sehr konzentrierten und auch etwas tristen Filmen, die bisweilen als steril oder verkopft wahrgenommen worden sind: Offene, episodische Dramaturgien, Leerstellen, verfremdende selbstreflexive Formen, Einflüsse des Experimentalfilms – all dies sorgte dafür, dass Egoyan, der seit 1977 Filme und seit "Next of Kin" (1984) Langspielfilme drehte, unter Cineasten zunächst so eine Art Geheimtipp blieb. Als dann "Exotica" ab dem 16. Mai 1994 in Cannes zu sehen war, konnte von einem Geheimtipp kaum mehr die Rede sein. Und auch der Zuspruch des Publikums fiel nun etwas breiter aus. "Exotica", ein verschiedene Biografien verwebendes Nachtclub-Drama, das erst am Ende alle Zusammenhänge darlegt und das tiefe Gefühl von Traurigkeit intensiviert, war wesentlich zugänglicher, setzte etwas mehr auf Illusion als auf Verfremdung, war verführerischer und lieferte emotional und psychologisch komplexere Figuren.
Es war der Beginn einer Übergangsphase, die etwa bis "The Sweet Hereafter" (1997) reichte, wobei manchmal "Exotica", manchmal  "The Sweet Hereafter" – mit dem sich Egoyan erstmals auf fremde Stoffe einließ – als Bruch und Neuanfgang gedeutet worden ist. Manch ein Anhänger des egoyanschen Frühwerks sah 1994 bereits einen qualitativen Abstieg mit "Exotica" gegeben: Der Hang zur psychologischen Erklärung, die Reduzierung von Leerstellen und Offenheit schienen das in seinem schwelgerisch-schwülstigen Nachtclub-Ambiente prätentiös anmutende Melodram in Daily-Soap-Gefilde zu verschieben wie Robin Detie seinerzeit in der Zeit bemerkte. Dennoch fand der Film ein breiteres Echo und ein größeres Publikum als frühere Arbeiten des Regisseurs. Und wer vor allem den späten Egoyan im Blick hat, wird in "Exotica" und "The Sweet Hereafter" die überzeugendsten Arbeiten erblicken, die sich wesentlich zugänglicher geben als das Frühwerk, aber noch nicht völlig den Konventionen und dem kommerziellen Gestus seiner Filme im 21. Jahrhundert anheimfallen.
Auf DVD liegt dieser Egoyan-Klassiker hierzulande noch immer nicht vor; dafür ist die schon etwas ältere UK-DVD recht günstig zu bekommen: Fassungseintrag von Morb_d


Kommentare und Diskussionen

  1. Noch keine Kommentare vorhanden

Um Kommentare schreiben zu können, müssen Sie eingeloggt sein.

Registrieren/Einloggen im User-Center

Details
Ähnliche Filme