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von PierrotLeFou

Vor 100 Jahren: Richard Oswalds Episoden-Horrorfilm

Stichwörter: 1910er Deutschland Episodenfilm Heine Horror Jubiläum Klassiker Liebmann Literaturverfilmung Oswald Poe Spielfilm Stevenson Stummfilm Veidt

Unheimliche Geschichten (1919)

Dank des Wirkens von Filmschaffenden wie Paul Wegener, Henrik Galeen, Stellan Rye, Otto Rippert und Hanns Heinz Ewers, der vor allem als Schriftsteller Erfolge verbuchen konnte, feierte der unheimliche und/oder phantastische Film schon Mitte der 10er Jahre große Erfolge in Deutschland. Auch Richard Oswald hatte mit seiner "Der Hund von Baskerville"-Reihe (1915), mit "Und wandern sollst du ruhelos…" (1915), "Hoffmanns Erzählungen" (1916) oder "Das Bildnis des Dorian Gray" (1917) entsprechende Beiträge abgeliefert. Doch während nur wenige der Beiträge reine Horrorfilme im engeren Sinne sind, begründen Oswalds "Unheimliche Geschichten" quasi als kleiner Bruder von Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) die populäre Welle des deutschen, oftmals expressionistisch ausgerichteten Horror(stumm)films. (Dass in beiden Filmen Conrad Veidt brillierte, mag diese vage Verwandtschaft noch unterstreichen, wenngleich sich die Filme stilistisch gehörig unterscheiden.) Zum einen wäre die Bezugnahme auf populäre Horrorstories von E. A. Poe und R. L. Stevenson zu erwähnen, die auch von der zeitgenössischen Kritik hervorgehoben worden war. Anders als z. B. Wildes Dorian Gray-Roman, Doyles Sherlock Holmes-Roman oder die Offenbach-Oper waren diese von Oswald verarbeiteten Geschichten viel stärker auf Schrecken & Unbehagen ausgerichtet: bloß Ewers' Drehbücher und Romanvorlagen kamen dem zuvor nahe. Zum anderen wären die Umstände zu nennen, dass Oswalds "Unheimliche Geschichten", die auch auf die Schriftstellerin Anselma Heine, auf Robert Liebmann und Richard Oswald selbst zurückgehen, nicht bloß die für den phantastischen Film so bedeutsamen Trickeffekte offensiv herausstellten, sondern dass dieser Episodenfilm – an der Schwelle zu den 20er Jahren entstanden – filmsprachlich auch ansonsten gängigen Spielfilm-Konventionen eher und länger entsprach als viele Werke aus der Pionierzeit des Langspielfilms. "Unheimliche Geschichten" sicherte sich somit die folgende Stummfilmzeit hindurch den Rang eines populären Klassikers, den Oswald dann auch im frühen Tonfilm-Zeitalter als Tonfilmversion neuverfilmte, und geht einer Reihe von in rascher Folge entstandenen Klassikern und Marksteinen des deutschen Horrorfilms unmittelbar voran. Die am 6. November 1919 Vorpremiere feiernden "Unheimliche Geschichten", die erst im Juli 1920 der Zensur vorgelegt worden waren, und die "Unheimlichen Geschichten" (1932), die Oswald kurz vor seiner Emigration abdrehte, umreißen gewissermaßen die berühmt-berüchtigte Phase des deutschen Stummfilms, in der ein phantastisches Kino Erfolge feiern konnte, das im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit nahezu zwangsläufig verkümmern musste: "Das Cabinet des Dr. Caligari", "Der Golem - Wie er in die Welt kam" (1920), "Der müde Tod" (1921), "Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens" (1922), "Orlacs Hände" (1924), "Das Wachsfigurenkabinett" (1924), "Der Student von Prag" (1926), "Faust - Eine deutsche Volkssage" (1926), "Alraune" (1928) oder "Alraune" (1930) fallen neben vielen kleineren Klassikern in diese goldene Ära des phantastischen Films in Deutschland.
Mehr über den Film, der bei Filmjuwelen auf DVD zu bekommen ist (Fassungseintrag von Freddy J. Meyers), verrät das Review von Ännchen von Tharau.


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