Jonathan (1970)
Hans W. Geissendörfer ist der Mann hinter der berühmt-berüchtigten TV-Serie "Lindenstraße" (1985-2020). Cineasten ist Geissendörfer aber auch mit sehenswerten Beiträgen zum Neuen Deutschen Film im Gedächtnis geblieben: Der ungewöhnliche Heimatfilm "Sternsteinhof" (1976) sowie die Patricia-Highsmith-Verfilmungen "Die gläserne Zelle" (1978) und "Ediths Tagebuch" (1983) zählen zu seinen renommierteren Klassikern. Eher ein – seinerzeit durchaus einigermaßen erfolgreiches, wenngleich bloß kurzlebiges – Kuriosum ist hingegen sein Langspielfilmdebüt "Jonathan" geblieben, das einer ganzen Reihe von 16-mm-Amateurarbeiten und der Regieassistenz bei George Moorse folgte. Uraufgeführt am 15. Mai 1970 wandelt der Film auf den Pfaden des populären Vampirfilms, der gerade nach Möglichkeiten der Modernisierung suchte. Geissendörfer griff vage auf Bram Stokers "Dracula" (1897) zurück, um in seiner sehr freien Verfilmung Akademiker gegen parasitäre Blutsauger vorgehen zu lassen, welche die Gesellschaft unterdrücken, die ihrerseits auf recht ambivalente Weise präsentiert wird. Trotz mancher kruder Gewaltbilder und manch nackter Haut geht der Film im Hinblick auf exploitative Versatzstücke nicht so weit wie kurz darauf Paul Morrisseys ähnlich politisierter "Blood for Dracula" (1974), entwickelt aber eine im Vergleich etwas geschlossenere Ästhetik – wohl auch wegen Robby Müller, der hier noch am Beginn seiner Karriere als Kameramann stand.
Die alte Arthaus-DVD ist längst vergriffen und meist bloß für unangemessene "kleinere Unsummen" zu erwerben: Fassungseintrag von magdebürger
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