Algol (1920) & Genuine (1920)
"Du musst Caligari werden", orakelte die Werbung für Robert Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari" (1920) ihrerzeit (durchaus hintersinnig) und für die nächsten fünf Jahre, so scheint es, nahm sich der deutsche Film diesen Rat zu Herzen. Die expressionistische Stoßrichtung erwies sich als durchaus auch kommerzielle Dominante im deutschen Spielfilm der frühen 20er Jahre, der vielfach auch mit dem Schlagwort des Caligarismus belegt wird. Karlheinz Martin etwa dreht 1920 einen der radikalsten und heute beachtetsten expressionistischen Filme: "Von morgens bis mitternachts", der aber erst 1922 gezeigt wird und auch mehr die sozialkritische Komponente ausarbeitet, wohingegen das Phantastische eher am Rande mitschwingt. 1920 werden aber kurz nach Wienes Welterfolg zwei expressionistisch orientierte, phantastische Filme angefertigt und ins Kino gebracht: "Genuine" (1920), von Wiene selbst im Caligari-Fahrwasser angefertigt und am 2. September 1920 uraufgeführt, sowie "Algol", von Hans Werckmeister von Juni bis August 1920 abgedreht und am 3. September 1920 uraufgeführt.
Werckmeister holte sich Walter Reimann, einen der Caligari-Architekten, zu seinem Projekt hinzu, um inmitten erstaunlich vieler rechter Winkel und teils realistischer Eindrücke immer wieder bizarre Räumlichkeiten zu präsentieren, die vor allem zum Expressionismus neigen, aber auch andere avantgardistische Einflüsse wie den Futurismus vermuten lassen. Dieses Durcheinander des Gewöhnlichen und Bizarren gleicht dem Eindringen von Science-Fiction-Elementen in die Alltäglichkeit. Worum es in diesem frühen deutschen Sci-Fi-Film geht, der manchmal als Vorstufe zu "Metropolis" (1927) betrachtet wird, verrät ---- in seiner Inhaltsangabe. Eine DVD-Veröffentlichung soll im Rahmen der Edition Filmmuseum erscheinen.
"Genuine" dagegen, "die Tragödie eines seltsamen Hauses", schwelgt durch und durch im expressionistischen Dekor, das mitunter überladen und überfrachtet wirkt und infolgedessen Prägnanz, Wucht und Dynamik misen lässt. Auch hier wirkte Walter Reimann mit – an der Seite des Malers und Kostümbildners César Klein –, doch die ornamentalen Verschnörkelungen erreichen nicht mehr die Kraft des "Caligari" und insbesondere das Spiel der Darsteller(innen) wurde mehrfach als nicht expressionistisch genug bemängelt, sodass der Gesamteindruck eher unbefriedigend bleibt, wenngleich die erzählte Geschichte irgendwo zwischen dem Caligari und H.-H.-Ewers-Geschichten oszilliert und eine mörderische femme fatale mit grausigem Hintergrund die ihr verfallenen Männer zu Meuchelmord und Selbstmord treibt. Erhältlich ist Wienes eher wenig geschätzter Caligari-Nachschlag auf der Kino International-DVD von "Das Cabinet des Dr. Caligari": Fassungseintrag von Intergalactic Ape-Man
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