The Watermelon Woman (1996)
Im letzten Jahr wurde Matt Ruffs Roman "Lovecraft Country" (2016), der Lovecraft und sein (genuin xenophobes) Werk – nicht immer konsequent genug – auf progressive Weise kritisiert und weiterführt und vor dem Hintergrund von #BlackLivesMatter und #MeToo allerlei Zeitgeist bedient, unter der Oberaufsicht von Misha Green in eine zehnteilige TV-Mini-Serie überführt (der man wegen des Erfolgs bei Kritik und Publikum wohl noch mindestens eine weitere Staffel folgen lassen wird). In "Lovecraft Country" (2020) werden mit farbigen, teils weiblichen, teils homosexuellen Hauptfiguren die Bereiche Feminismus, Antirassismus und Queerness ganz groß geschrieben – und eine der denkwürdigeren Folgen ist die Folge Fünf, deren Titel "Strange Case" bereits an eine Jekyll-&-Hyde-Thematik verweist: Hier verwandelt sich eine schwarze Frau mehrfach in eine weiße Frau, die einmal während eines S/M-Szenarios einen weißen Mann anal vergewaltigen wird, der zuvor eine farbige Frau brutal nötigte, und die am Ende der Folge erkennen wird, dass der weiße Mann, mit dem sie schläft und der ihr den Gestaltswechsel ermöglichte, eigentlich eine weiße Frau ist.
Inszeniert wurde diese Folge von Cheryl Dunye, die hiermit ihre vielleicht breitenwirksamste Filmarbeit abliefern konnte, in der sie den eigenen bevorzugten Themenfeldern – insbesondere dem der Intersektionalität – aber ganz und gar treu bleiben konnte. Dunyes in queeren Kreisen erfolgreichster Kultfilm, der nie zum Mainstream-Hit wurde, aber sich als moderner Independent-Klassiker längst seine Rolle als Markstein in der Filmgeschichte gesichert hat, ist dagegen der im Februar 1996 auf den Internationalen Filmfestspielen Berlin uraufgeführte "The Watermelon Woman". Der Titel verweist bereits auf rassistische Stereotype, aber Cheryl Dunye hat viel mehr im Sinn als einen antirassistischen Spielfilm. In dem semi-dokumentarischen Werk macht sich Dunye selbst in der Hauptrolle als lesbische schwarze Filmemacherin Cheryl auf, die Geschichte schwarzer Darstellerinnen im Classical Hollywood zu beleuchten, um dabei an der (fiktiven) Mammy-Darstellerin Fae Richards hängenzubleiben, die es ihr ganz besonders antut. Und während Cheryl über Richards' Arbeit und ihre lesbische Liebe zu einer weißen Filmemacherin recherchiert, mischt sich Cheryls eigene Liebesbeziehung mit einer weißen Videothekenkundin über diesen Handlungsstrang. Herausgekommen ist ein – filmästhetisch sicher nicht sonderlich geschmeidiger – Metafilm, der sich in vielerlei Hinsicht und auf recht ironische Weise als äußerst progressiv erweist (wobei grundlegende Filmgeschichtskenntnisse des Publikums im Grunde erforderlich sind) und im Rückblick geradezu einen Vorreiterstatus einnimmt (wobei man davon ausgehen kann, dass auch heute nicht allein Queerness, Feminismus und Antirassismus einem "Lovecraft Country" zum Erfolg verhalfen, sondern vor allem der Produktionsstandard und der Name Lovecraft)... Zurecht wurde der mehr denn je aktuelle Film 2016 zu seinem 20. Jubiläum in neu restaurierter Form noch einmal wiederaufgeführt.
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Passend zum erstmals am 19.03.1911 begangenen Frauentag, der seit 1921 auf den 08.03. fällt, ein kleiner Klassiker, der gleich in vielerlei Hinsicht recht progressiv ausfällt…