Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica (1971) & L'istruttoria è chiusa: dimentichi (1971)
Die zwei Filme, die Damiano Damiani im Jahr 1971 in die Kinos brachte – "Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica" am 26. März, "L'istruttoria è chiusa: dimentichi" am 27. Oktober – haben so einiges gemeinsam: hier wie dort agiert Franco Nero in Hauptrollen, hier wie dort gehörten Claudio Ragona als director of photography, Antonio Siciliano als cutter (am Anfang einer langen Karriere) sowie Umberto Turco als art director bzw. production designer zur Crew. Vor allem aber handelt es sich in beiden Fällen um Polit-Thriller, die jeweils die intensiven Spannungen in der italienischen Gesellschaft jener Jahre spiegelten.
Jene Jahre: das sind natürlich (noch immer) gli anni del '68 und – damit einhergehend – die Proteste gegen den Vietnamkrieg, das Erstarken der Neo-Faschisten, die Zunahme an Studierenden und eine Zunahme der politisierten Link(sintellektuell)en unter ebendiesen... der Mailänder Anschlag vom Dezember 1969 auf der Piazza Fontana durch Rechtsterroristen hatte wie der skandalumwitterte Todessturz des Anarchisten Giuseppe Pinelli in Polizeigewahrsam das Klima beträchtlich erhitzt und die 70er Jahre starteten in Italien denkbar angespannt. Nicht bloß hatte die Gewaltbereitschaft zugenommen, auch die Fronten verwischten allmählich: neben die Auseinandersetzungen zwischen Neo-Faschisten und linken Studierenden traten auch Auseinandersetzungen zwischen diesen Studierenden und kommunistischen Arbeitern... und ein linker Regie-Star wie Pier Paolo Pasolini solidarisierte sich nach heftigeren Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und linken Studierenden in einem offenen Brief überraschenderweise mit den Polizisten. Derweil leitete die Entstehung der Brigate Rosse im Jahr 1970 auch Terrorismus von linker Seite in die Wege, der Mitte der 70er Jahre so richtig einsetzen sollte – und dann längst von einer strategia della tensione begleitet wurde, die gelegentlich Terror von rechter Seite als linken Terror tarnte. Zu Täuschungen griff indes auch die Mafia in vermehrtem Ausmaß, die zwar in den 70er Jahren zwischen dem ersten Mafiakrieg (bis 1969) und dem zweiten Mafiakrieg (ab 1981) auf den ersten Blick die Füße still zu halten schien und zunächst geschwächter wirkte, die aber eben in den 70er Jahren zunehmend in Rom, Mailand und Neapel Fuß fasste, nach richtungsweisenden Geschäften im Drogenhandel enger mit scheinbar seriösen Börsenmarklern operierte und immerhin für den Bärenanteil der sensationellen Entführungen dieser Dekade verantwortlich war: darunter vor allem die berüchtigte Getty-Entführung. Keine Frage, dass in solchem Kontext auch Korruption und Poliziegewalt – obgleich nicht unbedingt gesteigert – stärker in die öffentliche Wahrnehmung gerieten.
Das italienische Genrekino hatte ein entsprechend großes Interesse an einem wütenderen, kompromissloseren Tonfall, an (Ohn-)Macht und Gewalt in unterschiedlichsten Facetten, an einem grundlegenden Misstrauen gegenüber Vertretern des Staates und staatlichen Institutionen sowie an einer Paranoia (wie sie sich zeitlich auch im US-amerikanischen Paranoia-Thriller wahrnehmen ließ), an undurchsichtigen Motivationen und komplexen Interessenkonflikten... Vom Italo-Western zieht sich das über den Polit-Thriller bis hin zu den poliziotteschi; immer wieder Motive und Topoi wie den Mexican Standoff, die Selbstjustiz oder das doppelte Spiel aufgreifend.
Damiano Damianis Politthriller sind Paradebeispiel des italienischen Kinos jener Jahre: In "Confessione di un commissario di polizia al procuratore della repubblica" sieht sich ein Staatsanwalt (Franco Nero) mit einem Kommissar (Martin Balsam) konfrontiert, der mit einem Kommunistenführer sympathisierte, einem gut vernetzten Mafiosi mit legalen Mitteln nicht beikommen konnte und nun zu illegalen Methoden greift, die nun den Staatsanwalt dazu drängen, seinen eigenen Standpunkt zu finden. Der reißerische deutsche Titel "Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert" ist im Grunde gar nicht einmal so unpassend, weil dieses durchaus im Film vorhandene Geschehen vage auf den eingeschränkten Handlungsspielraum verweist, mit dem sich die Hauptfiguren konfrontiert sehen, die mit den Mitteln des Rechts mafiösen Saubermännern mit blendender Fassade gar nicht mehr Herr zu werden scheinen... Einen weiteren Vorzug des deutschen Titels nennt auch Bretzelburger in seinem ausführlichen Review.
Lebendig eingemauert findet sich dann Franco Nero selbst in "L'istruttoria è chiusa: dimentichi" wieder, wo er als Architekt nach einem folgenschweren Verkehrsunfall in Untersuchungshaft wandert, wo er sich länger als es ihm lieb ist, mit höchst kriminellen Zeitgenossen arrangieren muss. Im Mikrokosmos des Gefängnisfilms spielt Damiani das Thema der Ohnmacht noch etwas pessimistischer durch: der unbescholtene Architekt begibt sich in der Hoffnung, seine Haut zu retten, innerhalb des kriminell durchdrungenen Gefängnisalltags in ein Abhängigkeitsverhältnis, aus dem er nicht mehr herauskommt. Entsprechend setzt Komponist Ennio Morricone auf eine beunruhigende, aufreibende Klangkullise mit teils avantgardistischem Touch, derweil Riz Ortolani für Damianis Vorgänger noch eine gewohnt gefällige, geschmeidig-harmonische Musik komponierte, die letztlich auch auf der Tonspur zu einem insgesamt weniger düsteren Eindruck führte.
Auch diesen Film kontextualisiert Bretzelburger in seinem Review souverän innerhalb von Damianis Schaffen...
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