Kris (1946) & Det regnar på vår kärlek (1946) & The Touch (1971)
1946 erscheinen erstmals Filme, bei denen Ingmar Bergman Regie führte: "Kris", uraufgeführt am 25. Februar 1946, und "Det regnar på vår kärlek", uraufgeführt am 9. November 1946. "Kris", dem Regiedebüt, das nach dem Erfolg von Alf Sjöbergs "Hets" (1944) nach Bergman-Drehbuch möglich geworden war, lag ein Theaterstück von Leck Fischer zugrunde. Am Theater hatte Bergman schon Regie-Erfahrung sammeln können, beim Film betrat er hingegen Neuland, gleichwohl er Sjöberg bei "Hets" assistierte. Bergman selbst hielt später wenig von seinem Regiedebüt, allerdings kann man nicht umhin, hier bereits viele Motive vorzufinden, die fortan fest zu Bergmans Œuvre gehören sollten: allein der Titel, "Krise", nimmt schon ein Leitmotiv in Bergmanns Schaffen vorweg, welches allerdings auch für humorvolle Leichtfüßigkeit zu haben war - man denke nur an "Sommarnattens leende" (1955). Die Krise in "Kris" fällt vielfältig aus: Da ist die gesundheitliche Krise der alten Ingeborg, die noch von einer zweiten Krise eingeholt wird, will doch ihre Ziehtochter zu ihrer leiblichen Mutter in die große Stadt ziehen. Nelly, die Ziehtochter, durchlebt gleich ihrer leiblichen Mutter eine Beziehungskrise, stellt ihnen doch derselbe Mann nach: Jack, der egoistische Liebhaber, durchlebt die Krise des Bewusstseins für die eigene Schlechtigkeit. Am Ende steht ein Suizid; und am Ende steht auch der Entschluss, eine schwerwiegende Erkrankung zu akzeptieren.
"Det regnar på vår kärlek" entsteht wenige Monate später, obgleich sich "Kris" nicht als Kassenerfolg erwiesen hatte. Auch hier hat Bergman, der bis zuletzt auch ein Mann des Theaters war, ein Theaterstück – von Oskar Braaten – zur Grundlage genommen. "Det regnar på vår kärlek" wirkt vielleicht ein Stückchen versöhnlicher, auch wenn die Leidensgeschichte eines jungen Paares (er frisch aus dem Gefängnis entlassen, sie von einem anderen Mann geschwängert) durchaus deprimierende Passagen zuhauf aufweist. Doch ist der Grundton eher optimistisch, auch wenn es zwei Geächtete sind, die einander finden und liebgewinnen, derweil sie ansonsten nur schwer Fuß fassen können in der Gesellschaft... Bergman oszilliert stilistisch zwischen den Extremen bei dieser zweiten Arbeit: Manche Szenen werden von einer expressiven Licht-und-Schatten-Ästhetik geprägt, die Bergman weniger dem deutschen expressionistischen Stummfilm, sondern vielmehr dem film noir entlehnt hat, mit welchem sich "Det regnar på vår kärlek" auch Elemente der Handlung teilt... dieser sehr vereinnahmenden Ästhetik steht bisweilen das teils recht theatralische Spiel der statisch verharrenden, gelegentlich aneinander vorbei kommunizierenden Figuren entgegen, die Bergman in den 60er Jahren, insbesondere in "Persona" (1966) systematisieren und Bravour einsetzen sollte. In "Det regnar på vår kärlek" bleiben beide Stilmittel unverbindliche kleine Spitzen in einem Film, der noch keine stilistische Geschlossenheit aufweist.
25 Jahre später kann Bergman dann bereits auf eine beachtliche Karriere zurückblicken, die etwa zwischen "Sommarlek" (1951) und "Sommarnattens leende" (1955) einsetzt und zwischen "Såsom i en spegel" (1961) und "En passion" (1969) die Hochphase erlebte (bzw. bis "Viskningar och rop" (1972) erleben sollte). "The Touch", am 26. Juni 1971 uraufgeführt, markiert im Grunde den Übergang vom Haupt- zum Spätwerk: Der große, 2020 verstorbene Max von Sydow ist letztmalig in einem Bergman-Film zu sehen, erstmals legt Bergman einen Film (auch) in englischer Sprache vor, erstmals vergibt er die Hauptrolle an einen US-Star: Dustin Hoffman war vorgesehen, geworden ist es Elliott Gould. Bergman verhandelt hier eine Dreiecks- bzw. Ehebruchsgeschichte, die zwar noch nicht die Qualitäten seiner TV-Mini-Serie "Scener ur ett äktenskap" (1973) erreicht, aber doch dem Beziehungsdrama aus "Kris" überlegen ist: hier muss kein dramatischer Suizid bemüht werden, hier steht am Ende ein plausibleres Zerwürfnis... Trotz der Gereiftheit im Vergleich mit dem Frühwerk ein Vierteljahrhundert zuvor hat Bergman hiermit keinen seiner große Klassiker abgeliefert, auch der Erfolg bei Kritik und Publikum fiel vergleichsweise bescheiden aus... und unter den späteren Filmen tummeln sich nur noch wenige echte Klassiker.
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