The Killers (1946)
Eine kaum 10-seitige Kurzgeschichte in einen abendfüllenden Spielfilm zu verwandeln, gehört zu den erstaunlichen Fähigkeiten der Drehbuchautoren des klassischen Hollywood. Ernest Hemingways Short Story „The Killers“, erschienen 1927, beschreibt etwa drei Abendstunden in einer amerikanischen Kleinstadt – daraus wurde unter der Regie von Robert Siodmak der gleichnamige Film-Noir-Klassiker, der am 28. August 1946 Premiere feierte und aus der hemingwayschen Momentaufnahme den Lebensweg eines Mannes nachzeichnet, der stets die falsche Entscheidung trifft.
Die Autoren Anthony Veiller, Richard Brooks und John Huston spinnen den Erzählfaden fort, der von Hemingway nur angedeutet wurde: Warum bleibt der Tankwart (Burt Lancaster), der nur „Schwede“ genannt wird, fatalistisch in seinem Bett liegen, obwohl er vor zwei Killern gewarnt wird, die sich im nahegelegenen Diner nach ihm erkundigt haben? Als die Story vorantreibendes Vehikel dient nun ein Versicherungsermittler (Edmond O’Brien), der das Leben des Schweden anhand von Zeugenerzählungen chronologisch aufrollt – die Rückblendenstruktur ist der von „Citizen Kane“ (1941) sehr ähnlich. Mittels dieser anspruchsvollen Struktur verbindet „The Killers“ publikumswirksam die Elemente des Gangsterfilms – Boxkämpfe, die Unterwelt von Chicago, einen großangelegten Raub, einander betrügende Kriminelle, eine betörende Femme fatale (Ava Gardner) – und wurde zum beachtlichen Kassenerfolg. Eine besondere Erwähnung verdient der erste Leinwandauftritt des Schauspiel-Autodidakten Burt Lancaster, dessen physische Präsenz und souveränes Auftreten den Grundstein für ein lange Karriere legten. Das ebenfalls sehenswerte Remake von Don Siegel aus dem Jahr 1964 basiert auf dieser „erweiterten“ Drehbuchfassung, übersetzt sie aber in die Wirklichkeit der 60er Jahre und hat damit ihren ganz eigenen Charme. Eine kuriose Fußnote der Filmgeschichte stellt die erste werkgetreue Verfilmung von Hemingways Kurzgeschichte ausgerechnet durch den späteren russischen Autorenfilmer Andrei Tarkowski dar – im Jahr 1956 als erster sowjetischer Studentenfilm, der auf einer ausländischen Vorlage beruhen durfte.
„The Killers“ ist heute Robert Siodmaks meistgesehener Film und ein Paradebeispiel für die Arbeitsweise eines ganzen Teams von Autoren, einen noch so knappen Ausgangsstoff so lange zu formen und zu erweitern, bis er das größtmögliche Publikum erreicht. Damit steht die Methode natürlich der Auteur-Theorie diametral gegenüber, ist jedoch für das Bestreben, lukrative Blockbuster für den Massengeschmack zu produzieren, unverzichtbar. Das verdienstvolle Label Koch hat Siodmaks „The Killers“ als Blu-ray (Fassungseintrag) und DVD (Fassungseintrag) im Portfolio (ebenso wie Don Siegels Verfilmung, diese sogar als UHD-Disc), wird bezüglich des Bonusmaterials jedoch von Arrow (Großbritannien) oder Criterion (USA) überboten. Die lesenswerte OFDb-Kritik von Reiben hebt die Stilelemente des Film Noir hervor und zeigt den Einfluß z.B. auf „Pulp Fiction“ (1994) auf.
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