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von PierrotLeFou

Vor 75 Jahren: Ein Markstein deutscher (Film-)Geschichte

Stichwörter: 1940er Borchert DEFA Deutschland Drama Jubiläum Klassiker Knef Krieg Kriminalfilm Spielfilm Staudte Trümmerfilm

Die Mörder sind unter uns (1946)

Er wurde im deutschen Kaiserreich geboren, wuchs in der Weimarer Republik auf, arbeitete erstmalig im Dritten Reich beim Film: Sein "Der Mann, dem man den Namen stahl" (1944/1996) fiel bei der nationalsozialistischen Zensur in Ungnade und wurde erst 1996 rekonstruiert uraufgeführt. Eine Neuverfilmung drehte er selbst indes bereits 1947: "Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B." (1948). Die Rede ist natürlich von Wolfang Staudte, der als Schauspieler noch in einem "Jud Süß" (1940) mitwirkte, in der Nachkriegszeit aber zum profiliertesten Aufarbeiter deutscher Geschichte und deutscher Befindlichkeiten avancierte. Staudte, der am kommenden Samstag 115 Jahre alt geworden wäre, galt im Nachkriegsdeutschland aber auch als Grenzgänger, drehte er doch in Westdeutschland ebenso wie für die DEFA; Anfang der 50er Jahre kulminierte die Situation in kruden Skandalisierungen Staudtes: "Der Untertan" (1951) etwa wurde im Westen erst vor 65 Jahren freigegeben und erstmalig vor 60 Jahren ungekürzt gezeigt. "Gift im Zoo" (1952) erlitt als westdeutsche Produktion gar einen Austausch Staudtes als Regisseur infolge einer lügenreich Schmutzkampagne. Ab Mitte der 50er Jahre arbeite Staudte dann fortan ausschließlich in Westdeutschland, zunächst mit Kinofilmen, später – als er inmitten des Neuen Deutschen Films zum alten Eisen zu zählen begann – auch mit TV-Arbeiten. Die deutsche Einheit sollte Staudte nicht mehr erleben: 1984 starb er bei Dreharbeiten in Jugoslawien. Auch wenn seine zweigleisige Arbeit in der Bundesrepublik wie in der DDR bloß wenige Jahre umfasste, so besitzt Staudte – Grenzgänger zwischen der Kriegs und der Nachkriegszeit wie zwischen der Bundesrepublik und der DDR – doch eine immense Stellung in der deutschen Filmgeschichte: immerhin hat Staudte, der nach Kriegsende schon 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone die Synchronisation von Eisensteins "Ivan Groznyy" (1944, Anniversary-Text) übernahm, mit dem am 15. Oktober 1946 uraufgeführten "Die Mörder sind unter uns" den ersten deutschen Nachkriegsfilm, den ersten Trümmerfilm sowie den ersten Film der DEFA vorgelegt; angeboten hatte er das Projekt in allen vier Besatzungszonen – zugeschlagen hatte nur die SBZ. Der unter anderem mit Wilhelm Borchert und Hildegard Knef besetzte Film, der empfindlich die Schuldfrrage stellt, liegt neben "Der Mann, dem man den Namen stahl" und "Die seltsamen Abenteuer des Herrn Fridolin B." in der empfehlenswerten DVD-Edition Brüche und Kontinuitäten 01 vor: Fassungseintrag von Kayfabe. Mehr zum Film verrät das Review von Bretzelburger


Kommentare und Diskussionen

  1. PierrotLeFou sagt:

    Zum Tag der Deutschen Einheit ein Markstein vom Grenzgänger Staudte – knapp zwei Wochen vor dem Uraufführungstermin und knapp eine Woche vor Staudtes Geburtstag…

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