Von morgens bis mitternachts (1922)
Im Juni 1922 erlebt ein deutscher Stummfilm seine Interessenten-Premiere in München, eine Art Pressevorführung, erlebt dann aber keine Kinoauswertung in seinem Entstehungsland: Karl Heinz Martins "Von morgens bis mitternachts" wird dann erst im Dezember 1922 in Japan breiter zugänglich gemacht. gut 60 Jahre später taucht der lange Zeit verschollene Film dort dann auch wieder auf. Von großen Kenner(inne)n des deutschen Stummfilms wie Lotte Eisner als einer der pursten expressionistischen Filme gepriesen, entwickelte sich der Film zu einem der ganz großen Klassiker des deutschen Films. Nach seiner Interessenten-Premiere fiel das Echo hierzulande noch unterschiedlich aus: Der 1920 gedrehte Film, der Wienes "Das Cabinet des Dr. Caligari" in Teilen ähnelt, aber ungleich nüchterner daherkommt, wurde als Verfilmung von Georg Kaisers Theaterstück aus dem Jahr 1912, das 1917 erstmals aufgeführt wurde und auch schon von Martin auf der Bühne umgesetzt worden war, teilweise irritiert zurückgewiesen: als stumme Darbietung eines gerade von der Sprache und dem Vortrag lebenden Stückes, als Beschneidung oder Verkürzung eines Stoffes, der eigentlich für ein anderes Medium gedacht war. Immerhin war es noch keine zehn Jahre her, dass man den Film mit den Kunstformen Literatur und Theater zu vergleichen begonnen hatte. Die expressionistische Bildebene des Films fand aber auch schon 1922 ihre Fürsprecher. Heute hat sie ihm als radikaler Vertretung des expressionistischen Stummfilms zum bedeutsamen Status verholfen; zumal das Drama eines Kassierers, der Geld entwendet hat, dann aber auch trotz Zerstrteuungsmöglichkeiten nicht glücklich wird und am Ende Selbstmord begeht, auch als frühes Beispiel des Straßenfilms gilt, der Mitte der 20er-Jahre einen populären Topos im deutschen Film darstellte.
Die Edition filmmuseum hat "Von morgens bis mitternachts" vor numehr 12 Jahren erfreulicherweise auf DVD veröffentlicht: Fassungseintrag von Freddy J. Meyers
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