Der Krieg hatte den Großmeister des französischen Films ins Exil getrieben. Am 7. Juni 1947 legte dort seine letzte US-Arbeit vor: die RKO-Produktion “The Woman on the Beach” nach Mitchell Wilsons kurzem Roman “None so Blind” (1945), die fast in den Händen von Jacques Tourneur gelandet wäre. Renoir und Frank Davis (“A Tree Grows in Brooklyn” (1945), “The Train” (1964)) fertigten das Drehbuch an. Es ist die Geschichte einer Frau, die die Erblindung ihres Mannes, eines Malers, verschuldet hat. Und die Geschichte eines traumatisierten Kriegsheimkehrers, der sich – obgleich selbst verlobt – in diese Frau verliebt… und für diese Liebe sehr weit zu gehen gedenkt. Es gab eine erste Version des Films, die bei einer Testvorführung durchfiel. Renoir gab später an, diese Version sei ihrer Zeit voraus gewesen. Ein Bild über ihre Qualitäten kann man sich nicht mehr machen. Vertrieben wurde eine um ein knappes Drittel gekürzte Version, die bloß noch rund 70 Minuten Laufzeit aufweist, und entsprechend viel Charakterzeichnung und Details unter den Tisch fallen ließ. Die Qualität dieser veröffentlichten Version wird bis heute kontrovers beurteilt. Auch über die Zugehörigkeit des Films zum film noir ist man sich noch heute uneins. Joan Bennett, Robert Ryan und Charles Bickford agieren jedenfalls beachtlich in diesem symbolträchtigen, kriminalistischen Melodram um eine fatale Dreiecksbeziehung; bemerkenswert auch der Ballast des Vergangenem, den man hier mit sich herumträgt: visualisiert über Überblendungen und Doppelbelichtungen, über Wasserwirbel, die Hitchcocks Spirale aus “Vertigo” (1958) vorwegnehmen. Das alles macht große Lust auf die ursprüngliche Version. Die es wie gesagt nicht gibt. Dafür ist zumindest die verstümmelte Version einigermaßen gut & günstig zu erwerben – allerdings nicht mit deutscher Ton- oder Untertitelspur. Man hat sich also meistens zwischen der Warner Archive Collection-US-DVD oder spanischen oder französischen DVDs zu entscheiden…
PierrotLeFou
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