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Eine runde Sache: die Anniversary-Ecke

Vor 50 Jahren: Ein Abenteuerfilm aus Polen geht an die Grenzen der Erzählkunst

9. Februar 2015 | Stichwörter: 1960er, Abenteuer, Cybulski, Czyzewska, Fantasy, Has, Holoubek, Jubiläum, Klassiker, Literaturverfilmung, Penderecki, Phantastik, Polen, Potocki, Spielfilm


Rekopis znaleziony w Saragossie (1965)

 

Von Literaturverfilmungen sagt man oft abschätzig, sie seien lediglich ungenügende Illustrationen ihrer Vorlagen. Tatsächlich gibt es leider nur wenige Fälle, in denen ein Roman oder eine Erzählung wirklich kongenial adaptiert wurde – „Die Handschrift von Saragossa“ von Wojciech Has, die am 9. Februar 1965 in Polen Premiere feierte und auf dem gleichnamigen Roman von Jan Potocki basiert, ist solch ein glücklicher Fall.

Inspiriert von berühmten Vorbildern wie den „Geschichten aus 1001 Nacht“ oder dem „Decameron“ hat der polnische Adelige Potocki (1761-1815) einen wahrlich labyrinthischen Roman geschaffen, der kaleidoskopartig und innovativ die Genres und Erzählkonventionen überschreitet: Der junge, leicht törichte wallonische Offizier Alfons van Worden durchquert Mitte des 18. Jahrhunderts die spanische Sierra Morena, wo er zunächst in ein von Geistern heimgesuchtes Wirtshaus gerät. Von hier an beginnt die Geschichte, sich nonlinear zu verzweigen, verschiedene Episoden umklammern wieder andere Episoden, gehen ineinander über oder beschreiben einen narrativen Zirkel – selbst dem armen van Worden fällt es irgendwann schwer, zwischen Fantasie und Realität zu unterscheiden, seine geistige Gesundheit gerät in ernsthafte Gefahr. Dieses scheinbar unverfilmbaren Stoffes nahm sich der Regisseur Wojciech Has an, der ursprünglich Malerei studiert hatte und in den 60er Jahren als Filmkünstler bereits einen guten Ruf genoß – heute gilt als einer der einflussreichsten polnischen Filmemacher, der der Lodzer Filmhochschule seinen Stempel aufdrückte. Seine „Handschrift“-Verfilmung gehört laut dem Kanon von Martin Scorsese zu den zwanzig besten polnischen Filmen.

Wojciech Has wird der fast eintausend Seiten starken Romanvorlage durch einen ähnlich ausufernden, gut drei Stunden langen Film gerecht, der immerhin noch bis in die vierte Erzählebene hinein verschachtelt ist (die Vorlage erreicht stellenweise sechs). Dass dabei die Übersicht nicht verloren geht und der Zuschauer überdies geistreich unterhalten wird, liegt an vielen Stärken des Films: Eine stilsichere, schwarz-weiße Bildgestaltung im Breitwandformat erzählt die ausgewogene Mischung aus Liebes- und Abenteuergeschichten, gelehrten Diskursen über Liebe, Wissenschaft, Poesie und Glauben. Dabei vergisst Has nie, die Riege der damals erlesensten polnischen Schauspieler (u.a. Zbigniew Cybulski, Gustaw Holoubek und Elzbieta Czyzewska) in witzigen, melancholischen und erotischen Momenten glänzen zu lassen. Abgerundet wird das Ganze durch makellose Kulissen und die sparsam eingesetzte Filmmusik von Krzystof Penderecki, die teils spanische Folklore, teils klassische Sinfonien oder auch elektronische Avantgarde evoziert.

Seine Vorliebe für labyrinthische Erzählstrukturen stellte Has übrigens einmal mehr unter Beweis, als er einige Jahre später „Das Sanatorium zur Todesanzeige“ von Bruno Schulz nicht weniger ambitioniert verfilmte.

Wie der Großteil des osteuropäischen Filmschaffens zwischen 1945 und 1990 ist auch „Die Handschrift von Saragossa“ in Deutschland eher ein Geheimtipp. International jedoch wird dem Film spätestens seit 2001 die verdiente Aufmerksamkeit zuteil, als er auf Betreiben von Martin Scorcese, Francis F. Coppola und Jerry Garcia (Gitarrist der Band The Grateful Dead) zugänglich gemacht und ungekürzt wiederaufgeführt wurde. Inzwischen ist der Film restauriert, digitalisiert und damit endgültig außer Gefahr, vergessen zu werden – immerhin zählte selbst Luis Buñuel zu seinen prominenten Verehrern. Wer ihn sich allerdings nach Haus holen möchte, sollte wenn nicht des Polnischen, so des Englischen oder Französischen mächtig sein, denn denn in Westeuropa haben derzeit lediglich Malavidafilms (Frankreich) und Mr Bongo Films (Großbritannien) untertitelte DVDs veröffentlicht, auch die polnische Blu-ray von DMMS hat englische Untertitel.


ratz



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