Das türkische Kino hat es hierzulande nicht leicht: während deutsche DVDs großer Label inzwischen sogar mit einem türkischsprachigen Menu daherkommen und türkische Untertitel bisweilen so selbstverständlich erscheinen wie deutsche und englische, da beschränkt sich die Veröffentlichung türkischer Filme im Kino und auf DVD/BR auf aktuelle, aber bloß durchschnittliche Massenware und die raren Erfolge, die etwa ein Semih Kaplanoglu oder ein Nuri Bilge Ceylan seit einigen Jahren europaweit bei den Kritikern (zurecht) verbuchen kann. Doch längst kanonisierte Aushängeschilder des türkischen Films, deren Klassiker inzwischen in die Filmgeschichte eingegangen sind, warten nach wie vor darauf, hierzulande in angemessener Form Verbreitung zu finden: Yilmaz Güney (“Yol” (1982)) ebenso wie Metin Erksan (“Susuz yaz” (1963)). Erksan, einer der ersten türkischen Filmkritiker, konnte mit “Susuz yaz” bekanntlich auf der 1964er Berlinale Erfolge feiern und den Goldenen Bären gewinnen, Oscar-Nominierungen für sich verbuchen, auf der Biennale punkten und in der Türkei seinem Hauptdarsteller und der Hauptdarstellerin den Preis für das beste Schauspiel sichern, ehe der Film dann trotz (oder aufgrund) seiner Brisanz & Relevanz in der Türkei sehr schnell der Zensur zum Opfer fiel und im Ausland – wenn überhaupt – fast nur mit nachgedrehten Zusatzszenen als entstellte Version zu sehen war. (Martin Scorseses World Cinema Foundation hat den Film inzwischen wieder zugänglich gemacht.) Dass der Film wie Erksans folgenden Filme – die sich sozial engagierten, regelmäßig mit den Vorgaben der Zensoren anlegten und oftmals kaum gezeigt bzw. vollständig verboten worden waren – fortan trotz des positiven Echos kaum Verbreitung erfahren hat, mag schon auf das Schicksal vorausdeuten, dass Filmemacher wie Erksan, Güney, Sa??ro?lu schließlich nach dem 1971er Militärputsch (in Form diverser Verhaftungen & Anklagen) ereilte. Und von Erksans späten Filmen konnte nur noch “Seytan” (1974) ein wenig Aufmerksamkeit erlangen: ein eher schlechter Film, der als Plagiat von “The Exorcist” (1973) weniger ein türkischer Autorenfilmklassiker, sondern eher ein Vertreter des türkischen Trashfilms ist.
“Sevmek zamani” ist einer dieser übersehenen Klassiker der Filmgeschichte, der auch in Erksans Heimatland kaum in die die Kinos gelangte und erst nach vielen Jahren über zahlreiche Fernsehausstrahlungen den Rang eines hochkarätigen Klassikers erlangte (im Ausland aber weiterhin relativ unbekannt blieb). In der Türkei hingegen gilt der an Antonioni erinnernde Film mittlerweile unter Cineasten als einer der wichtigsten türkischen Filme überhaupt. Besonders bedauerlich ist ist die geringe Bekanntheit des Films im Westen, weil die kulturelle Differenz das womöglich bedeutsamste Thema des Films bildet: nicht bloß, weil die Dreiecksbeziehung des Films eine westlich geprägte Frau mit einem traditionell türkisch geprägten Mann zusammenkommen lässt, sondern auch, weil die Liebe des Mannes, die in erster Linie der Fotografie dieser Frau gilt, nicht bloß vor dem Hintergrund der Mimesis-Debatte zu lesen ist, sondern auch vor dem Hintergrund des Sufismus. “Sevmek zamani” ist also ein Film, der gerade nicht ausschließlich die nationale Kinokultur, sondern den internationalen, interkulturellen Austausch insgesamt bereichern will. Abgesehen von der interessanten Thematik bietet Erksans Film auch zahlreiche wundervoll in Szene gesetzte Momente: Halils Verharren vor der großen Fotografie Merals, eine Bootstour mit dem gerahmten Bild, Merals Flucht vor Basar mit nackten Füßen durch den Schneematsch sind nur drei Beispiele für die wunderschönen Kompositionen des Films. (Nicht nur) hierzulande bleibt derzeit jedoch nur der Griff zur englisch untertitelten türkischen DVD, will man sich mit den Möglichkeiten von Youtube usw. nicht begnügen…
Und worum geht es? InhaltsangabevonPierrotLeFou
PierrotLeFou
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