Im Grunde ist William Wylers Höhenflug, der Mitte der 30er Jahre begonnen hatte, allenfalls mit seinem letzten Film ein wenig ins Stocken gekommen – dennoch: ganz zweifellos war die Phase von “Dodsworth” (1936) bis “The Best Years of Our Lives” (1946) oder auch noch “The Heiress” (1949) seine brillanteste und angesehenste. Die Häufung langer, teils komplexer Kamerafahrten (die auch Renoir das Wasser reichen konnten), der intensive Einsatz von Schärfentiefe (der auch die Größe eines Welles erreicht), die sorgfältige Beleuchtung – all das machte Wylers Filme dieser Zeit zu den formal beachtlichsten und vor allem innovativsten Werke des klassischen Hollywood-Films, die auch inhaltlich eine ganz eigene Größe besaßen, die sich in der engagierten – wenngleich durch die Zensur beeinträchtigten – Behandlung ernster Themen und einem meist (vergleichsweise) ruhigen Tonfall offenbarte.
Viele dieser Qualitäten gelten auch für die am 22. November 1940 uraufgeführte W. Somerset Maugham-Verfilmung “The Letter”: Großes Kino bietet schon die erste Plansequenz nach dem Vorspann, in welcher die Kamera in einer langen Fahrt eine wundervolle Einführung in das exotische Milieu des Films bietet – solche Momente werden “The Letter” immer wieder durchziehen. Und Bette Davis – die auch zuvor (Jezebel” (1938)) und danach (“The Little Foxes” (1941)) unter Wylers Regie gearbeitet hat – gibt auf unterkühlt-berechnende Art & Weise eine Mörderin, deren kühler Charakter unter dem spannungsreichen Soundtrack besonders erschreckend wirkt: dennoch erscheint sie nicht als eiskaltes Monstrum, sondern als Mensch, der durchaus mit sich selbst ringt. Beeinträchtigt wird Wylers film noir-Kriminaldrama um Ehebruch, Mord und unterschlagene Beweismittel (den titelgebenden Brief) bloß durch etwas selbstzweckhaften Exotismus (inklusive bedrohlich-undurchsichtiger Asiatin, die von Gale Sondergaard aber eindrucksstark verkörpert wird) und ein moralisierendes Ende, das sich einzig und allein dem Hays Code verdankt.
Bei Warner liegt Wylers Film (etwas spärlich ausgestattet) auf DVD vor: Fassungseintrag von farnsworth
PierrotLeFou
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