“Loin du Vietnam”, der im August 1967 auf dem Filmfestival Montreal uraufgeführt wird, steht daher nicht in der jungen Tradition des – Episoden bekannter Regisseure vermengenden – Omnibus-Films, welcher seit den frühen 60er Jahren Erfolge feiert, sondern ist Startschuss all jener Kollektivfilme (und Filmkollektive), welche während der 68er Bewegung boomen. Er vereint Joris Ivens, den großen niederländischen Dokumentaristen, welcher zeitgleich an “Le ciel – La terre” (1967) über Vietnam arbeitet und später noch mehrere Dokumentarfilme in Vietnam dreht (darunter “Le 17e parallèle: La guerre du peuple” (1968)), Jean-Luc Godard, welchem kurz zuvor keine Drehgenehmigung in Nordvietnam zugebilligt worden war, Agnès Varda, Claude Lelouch, Alain Resnais und William Klein – sie alle engagieren sich unentgeltlich für Markers Projekt. (Der Spiegel berichtete seinerzeit, dass die Einnahmen “auf ein Guerilla-Konto in Hanoi überwiesen” werden sollten…) Auch Jacques Demy, Vardas Gatte, gehörte während der Planung des Films zum Team der Regisseure, schied dann allerdings doch aus, da seine Ideen in der Runde auf wenig Zuspruch stießen; Ivens’ Gattin Loridan-Ivens stellte dem Film hingegen noch eine Reportage zur Verfügung.
Zwar unterteilt sich der Film in mehrere Kapitel, denen jeweils kurze Titel vorangestellt werden, allerdings lassen sich bloß zwei Kapitel auf einen einzelnen Regisseur zurückführen: Resnais dreht einen spielfilmartigen Mini-Interviewfilm mit dem fiktiven Intellektuellen Claude Ridder, Godard dreht eine kurze Reflexion über seine eigene Haltung. Ursprünglich sollte Resnais’ Spielfilm-Beitrag in kleine Abschnitte unterteilt und an verschiedenen Stellen in den Film hineinmontiert werden: Marker plädierte als Projektleiter jedoch dafür, diese Episode als einzelnen Block einzubinden. Die Beiträge der übrigen Kollegen lassen sich allerdings nicht mehr so fein säuberlich herausgetrennt wahrnehmen. Es spricht einiges dafür, dass William Klein für die Eindrücke aus den USA und Joris Ivens für einige Aufnahmen in Vietnam verantwortlich ist. Lelouch werden gemeinhin die Aufnahmen auf dem Flugzeugträger Kitty Hawk zugeschrieben. Marker und Varda (und vielleicht auch Ivens) dürften an einigen der Lateinamerika-Aufnahmen beteiligt gewesen sein.
Herausgekommen ist dabei ein bisweilen bewusst widersprüchliches, teils unsicher fragendes Werk, welches dennoch parteiisch und manchmal agitatorisch vorgeht. Inszeniertes und Dokumentiertes lässt sich nicht immer ganz deutlich voneinander trennen – und dennoch wirkt “Loin du Vietnam” kaum manipulativ, weil er immer wieder auf die Subjektivität der dargebotenen Perspektiven hinweist und von allzu simplen Tricks keinen Gebrauch macht: reichlich Selbstkritik beugt letztlich vorschnellen Schlüssen im Publikum vor – wenn auch der Film keinen Zweifel daran lässt, wo seine Sympathien definitiv nicht liegen… Das war manchen Zuschauer(inne)n 1967 dennoch zuviel des Guten: die Pariser Kinovorführung löste im September 1967 kleine Attacken und Übergriffe aus.
Wie der Film insgesamt strukturiert ist? Inhaltsangabe von PierrotLeFou
PierrotLeFou
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