“Ladri di biciclette” (1948) und “Umberto D.” (1952) zählen zu den größten Klassikern des Neorealismus und haben Vittori de Sica fest in den Filmgeschichtsbüchern verankert. Dabei hat de Sica als Schauspieler und Regisseur eine Karriere hingelegt, die weit mehr umfasst als den Neorealismus: Komödien mit Sophia Loren (“L’oro di Napoli” (1954)) oder Gina Lollobrigida (“Anna di Brooklyn” (1958)) in den 50er Jahren, mit Loren und Mastroianni (“Ieri, oggi, domani” (1963), “Matrimonio all’italiana” (1964)), Peter Sellers (“Caccia alla volpe” (1966)) oder Shirley MacLaine in den 60er Jahren (“Woman Times Seven” (1967)) sowie geruhsame, sanft sentimentale Melodramen im Spätwerk der 70er Jahre – und natürlich Eindruck hinterlassende Auftritte in Filmen anderer Kollegen, etwa in Paul Morrisseys “Dracula cerca sangue di vergine… e morì di sete!!!” (1974)…
Während de Sicas Schaffen der Post-Neorealismus-Phase noch weitgehend stark rezipiert worden ist und bis heute vergleichsweise gut zugänglich ist, scheint de Sicas Frühwerk etwas in den Hintgergrund gerückt zu sein. “I bambini ci guardano”, der gewichtigste und bekannteste unter de Sicas frühen Filmen, hatte vor knapp zwei Jahren durch eine Lobpreisung Pabst Franziskus’ wieder einige Aufmerksamkeit erhalten. Man kann die Moral des Films bzw. sein Familienbild und seine Zeichnung der untreuen Gattin heutzutage sicher auch kritischer sehen, doch als eine der ganz frühen Initialzündungen des Neorealismus nimmt er zumindest eine wichtige Stellung in der (vor allem: italienischen) Filmgeschichte ein. Nach einem Roman von Cesare Giulio Viola entwerfen der Schriftsteller, de Sica und der für den Neorealismus so entscheidende Cesare Zavattini mit einigen anderen Autoren ein Drehbuch, das es de Sica erlaubte, die dominierenden Komödien und sentimentalen Liebesdramen zu umschiffen und sich mit ernsterem Anliegen einem sozialen Problem zuzuwenden: Im Mittelpunkt des Films steht der junge Pricò, der die Affäre der Mutter, die Trennung der Eltern, seine eigene Abschiebung in eine katholische Erziehungsanstalt und letztlich den Selbstmord des Vaters erlebt und letztlich für sich allein zurückbleibt.
Der Film wurde bereits 1943 fertiggestellt worden sein; eine eventuelle Aufführung in Venedig im Herbst 1943 ist aber umstritten, sodass meist erst die kriegsbedingt verzögerte Kinoaufführung ab dem 3. November 1944 als Uraufführungstermin genannt wird. Da lagen die Dreharbeiten bereits gut zwei Jahre zurück. Unter den Komparsen des Films soll sich auch ein junger Mastroianni befinden, der seinerzeit erst 18 Jahre alt gewesen ist.
Eine DVD-/BluRay-Veröffentlichung steht hierzulande noch aus, sodass bloß der Griff zur Criterion-DVD bleibt: Fassungseintrag von stittgen
PierrotLeFou
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