Nicht zu Unrecht gilt Jesus Francos “Gritos en la noche” (1962) als erster spanischer Horrorfilm – war doch das Genre im Franco-Spanien alles andere als populär und (vor allem) genehm. Dennoch lässt sich in den 40er Jahren eine kleine Perle entdecken, fĂĽr die das Etikett des ersten spanischen Horrorfilms auch gelegentlich verwendet wird. Es handelt sich um den am 23. November 1944 in Madrid uraufgefĂĽhrten “La torre de los siete jorobados” – international bekannter unter seinem inoffiziellen englischen Titel “Tower of the Seven Hunchbacks” –, der aber treffender als “gothic mystery” umschrieben wird und letztlich komödiantische, phantastische, kriminalistische und abenteuerliche Handlungsstränge sowie EinflĂĽsse des deutschen expressionistischen Kinos und dessen Nachhall im film noir in sich vereint. Zugrunde lag allerdings ein Roman von Emilio Carrere, der drei Jahre nach der UrauffĂĽhrung verstorben ist: Dessen “La torre de los siete jorobados” (1920) gilt als gothic horror-geprägte Geschichte aus dem Madrid des 19. Jahrhunderts. Dass daraus ein Film entstehen konnte, dĂĽrfte dem Umstand geschuldet sein, dass einige der phantastischen Elemente während der Adaption fĂĽr die Leinwand unerĂĽcksichtigt geblieben sind. Das mag es erleichtert haben, den Film zu verwirklich. Ein anderer Umstand dĂĽrfte darin gelegen haben, dass der Regisseur Edgar Neville, der als Konsul in Los Angeles mit dem Filmgeschäft in Kontakt kam und eine Karriere im Filmsektor begonnen hatte, nach dem spanischen BĂĽrgerkrieg als UnterstĂĽtzer der Franquisten galt: Sein Kriegsfilm “Frente de Madrid” (1939), entstandenen in den römischen CinecittĂ -Studios, gilt als eines der frĂĽhesten Beispiele fĂĽr die Neuasurichtung des spanischen Kinos im Franquismus – und Neville in der Folgezeit als zumindest angepasster Regisseur. Sein Ausflug ins phantastische Sujet mag vor diesem Hintergrund ĂĽberraschen, zumal historisierende RĂĽckblicke auch allerlei Unrecht in spanischen Gefilden ansprechen – der zunächst geringe Erfolg des Films scheint sich folgerichtig dem untypischen Genre zu verdanken: Der bisweilen mit Fritz Lang oder Louis Feuillade verglichene Streifen, in dem ein Mann beim Roulette UnterstĂĽtzung von einem Geist erhält, der sich als ermordeter Professor entpuppt und den protagonisten bittet, seiner Tochter beizustehen, welche im Umfeld des hypnotischen Doktor Sabatino in Gefahr zu schweben scheint, soll nach wenigen Tagen bereits wieder aus dem Kino verschwunden sein.
Lange Zeit galt “La torre de los siete jorobados” als kaum gesehener Geheimtipp, allenfalls als Randnotiz in Veröffentlichungen zum spanischen Horrorfilm erwähnt; erst die DVD-Veröffentlichung vor einigen Jahren verschaffte ihm dann tatsächlich auch wieder einige ZuschauerInnnen. Zum 75. Jubiläum kommt in Spanien nun die erste BluRay-Version des Films heraus, die Anfang Dezember erhältlich sein soll.
PierrotLeFou
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